Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
nichts, was sich nicht in Windeseile den Erfordernissen der Zerstreuung in der Trinkstube hätte anpassen lassen: zusammengestellt als Podium für die Vorführung einer abgerissenen Schauspielertruppe oder abgebaut und an den Wänden entlang gestapelt für den Fall, dass unter den Gästen eine Rauferei ausbrach und die Zuschauer genug Übersicht brauchten, um auf die kämpfenden Fraktionen zu wetten.
    Die Würfelspieler drehten sich wie ein Mann um und starrten mich an. Der Wirt betrachtete mich misstrauisch, ohne seinen Posten zu verlassen. Die Art und Weise, wie seine Augen an meinen teuren florentinischen Kleidungsstücken auf- und abkrochen, erinnerte mich an den Prozess gegen einen englischen Gastwirt, von dem mir Bischof Peter erzählt hatte: Der Wirt und seine Frau hatten für besonders wohlhabend scheinende Reisende ein Bett in einem gesonderten Raum aufgestellt; wenn ihre Opfer dankbar eingeschlafen waren, betätigten sie den Mechanismus der Falltür, über der das Bett aufgestellt war, und der Schläfer stürzte in den Raum darunter und in einen Bottich mit kochendem Wasser. Der Gastwirt und seine Frau hatten zugegeben, auf diese Weise über sechzig Morde begangen zu haben. Ich fragte mich, ob die Augen des englischen Wirts in der gleichen Weise an seiner Beute auf- und abgekrochen waren. Die Würfelspieler wandten sich ab und nahmen ihren Zeitvertreib wieder auf.
    Ich setzte mich so, dass ich die Tür zur Not schnell erreichen konnte, was mich jedoch in die Lage brachte, mit dem Rücken zu ihr sitzen zu müssen. Man kann nicht alle Vorteile auf seiner Seite haben, wenngleich ich sie hier gern alle bei mir versammelt gesehen hätte. Der Wirt brachte mir unaufgefordert einen Humpen mit dünnem Wein und blieb so lange vor mir stehen, bis ich ihm das nötige Geld auf den Tisch gezählt hatte. Er sprach nicht. Ich musterte die Würfelspieler, ohne dass es zu sehr auffiel. Ein paar Gesichter kamen mir bekannt vor, und nach ein paar Augenblicken konnte ich einige von ihnen der Stube in Ludwig Stinglhammers Haus zuordnen. Andere schienen mir heute Morgen im Hause Hoechstetter begegnet zu sein. Sie spielten halbherzig wie Leute, die es nur tun, um die Zeit totzuschlagen. Mir wurde bewusst, dass sie auf etwas warteten. Als die Tür sich in meinem Rücken öffnete und alle sich genau wie bei meinem Eintreten wie auf Kommando umdrehten, um dann einander in Begrüßungen zu übertrumpfen, wusste ich, dass der Neuankömmling der war, auf den sie alle gewartet hatten. Ich brauchte den Namen nicht zu hören, um zu wissen,dass es Lutz war, und ich war nicht im Mindesten erstaunt, als er sich zu ihnen gesellte, dass es sich bei ihm um den geschorenen Kerl handelte, der sich in Stinglhammers Stube mit Gregor angelegt hatte.
    Lutz schlug auf ein paar Schultern und schüttelte ein paar Hände und sah sich währenddessen mit schnellen Augen in der Trinkstube um. Seine Blicke ruhten einen Moment auf mir, dann tat er so, als würde er mich nicht kennen (kein gutes Zeichen). In Stinglhammers Stube, eingeklemmt hinter dem Tisch und zwischen seinen Gesellen sitzend, hatte Lutz vierschrötig und wie ein Bulle gewirkt, der einen mit gesenktem Kopf und blutunterlaufenen Augen dumm-aggressiv mustert. Hier in der Wirtsstube wirkte er anders, groß und breitschultrig zwar und mit einem Wanst, der gerade anfing, ihn in der Schnelligkeit seiner Bewegungen einzuschränken, doch bei weitem nicht genug, als dass ein Handgemenge mit ihm nicht noch lebensgefährlich gewesen wäre. Aber der große Unterschied war, dass er sich hier mit dem Selbstbewusstsein eines Königs bewegte. Nein, das war nicht der richtige Vergleich – ein König bewegt sich im Allgemeinen vorsichtig und misstrauisch unter seinen Männern, sich immer bewusst, dass von drei Bewunderern zwei ihm seine Stellung neiden und der Dritte schon mindestens einmal an einem versuchten Königsmord beteiligt gewesen ist. Lutz hingegen agierte wie der Anführer einer Söldnertruppe, der sich der Treue seiner Untergebenen sicher ist, weil er der bei weitem Gemeinste und Gefährlichste von ihnen ist. In Stinglhammers Stube hatte ich ihn unterschätzt. Ich würde es kein zweites Mal tun. Er sah ganz anders aus und kannte ihn mit Sicherheit nicht, aber auf mich wirkte es, als sei dem Fisch, Schreckfigur meiner Kindertage, hier ein würdiger Nachfolger erwachsen.
    Die Männer ließen die ledernen Becher mit den Knochenwürfeln verschwinden. Lutz stützte sich am Kopfende des Tisches auf beide

Weitere Kostenlose Bücher