Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Maria trieb mir die Tränen in die Augen. Seine Stimme mochte alt geworden sein, sein Atem kurz, seine Finger gichtig, doch die Innigkeit seines Gesangs bannte mich.
Lächelnd spielte er die letzten Läufe, wartete den Beifall ab und stieg vom Podest.
Ich ließ den anderen den Vortritt. Mir war schon jetzt klar, dass ich an keinen von ihnen je heranreichen würde. Nicht ich mit meiner zerstörten Stimme und einer fremden Laute, die keinerlei Magie in sich barg.
Sie sangen wunderbar, manche weich und melodisch von der hohen Minne, andere fröhlich und klangvoll von den Freude der Natur, einige hatten die geistlichen Lieder gewählt und trugen sie mit bebender Ehrfurcht vor, andere die dreisten Sauflieder mit kraftvollen Tönen. Doch sie alle schielten bei ihrem Vortrag zu dem Alten hin, der unter den Ehrengästen einen Ehrenplatz hatte.
Schließlich konnte ich es nicht mehr vermeiden. Ich nahm die geliehene Laute auf und trat auf das Podium.
Und als meine Finger die Saiten berührten, da wurde
mir mit dem ersten Schlag klar, welcher Chimäre ich sieben Jahre lang hinterhergelaufen war.
Es war nicht die Laute, der die Magie innewohnte, sondern die Magie lag in mir.
Es waren meine Finger, die sie zum Klingen brachten, aus meiner Kehle kam der Gesang, meine Zunge formte die Worte. Mit Melodie und Rhythmus, mit Versen und Stimme konnte ich die Menschen betören oder besänftigen, aufrühren oder trösten, mäßigen oder aufpeitschen oder gar Sehnsucht oder Trauer wecken.
Was ich bei anderen erreichte, das sollte mir auch bei mir selbst gelingen. Die Wunden tief in meinem Gemüt sollte ich damit zu heilen vermögen. Ich hatte so viel erreicht, war ein Mann geworden, angesehen und wohlhabend. Kerker und Galgen waren mir nicht zum Verhängnis geworden. Und als ich die Melodie suchte, die ich vortragen wollte, da wurde mir leicht ums Herz. Nun wusste ich, dass der Fluch von mir genommen war, der seit meiner Geburt auf mir gelastet hatte.
Meine Konkurrenten hatten gesungen und gespielt, um den Preis zu erringen - ich würde spielen, um mein eigenes Herz zu kurieren. Der Sieg war mir gleichgültig geworden.
Darum senkte ich meinen Blick und sang von der endlosen Suche nach dem Heil.
»Ich bin auf einer Fahrt, von der mich niemand halten mag:
Ich reite zur Herberge einen jeglichen Tag,
sei es trocken, sei es nass,
so wie die Wasser fließen in den Landen.
Ich fürcht’ auch nicht die Mörder allzu groß
als um ein Haar,
noch die Räuber auf den Straßen, nehmet das für wahr.
Ich lass das Reisen nicht, selbst durch des Königs Hass
noch den der Fürsten, selbst wenn sie’s ahnden wollen.
Wollten es mir denn die Grafen verwehren
und all die Freien, die hier angesessen.
Ob sie auch wollten sich verschwören,
dazu die Dienstleut, die ich sollt nicht vergessen,
Und all die starken Städte in der ganzen Welt,
die hindern meine Fahrten nicht,
auf die ich gehen muss, selbst wenn ich ungern fahre.« 20
Ich spielte auch hier und jetzt in dieser Burg das Lied von damals und vergaß mich selbst für eine Weile, saß nicht mehr im Rittersaal, sah nicht mehr die kleine Gemeinschaft. Ich spielte die Melodie und träumte.
»Meister Hardo, erzählt Eure Geschichte zu Ende«, hörte ich Ulrichs Stimme hinter mir.
Ich tauchte mühsam auf aus der Vergangenheit, der Wehmut, die mich umfangen hatte, zupfte noch einen Akkord und besann mich wieder auf meine Erzählung.
Das Geschenk des Trouvère
Während die Richter berieten, wem der Preis zuerkannt werden sollte, unterhielten Gaukler das Publikum. Sie jonglierten mit bunten Bällen, schlugen Räder, fochten mit bänderbewehrten Stäben und führten allerlei Possen auf.
Ich stellte mich stumm in die letzte Reihe der Sänger und verschloss meine Ohren vor ihrem Getuschel. Schließlich waren die Herren auf dem Podium zu einem Ergebnis gekommen, und ein buntberockter Herold trat auf uns zu. Ihr könnt mein Erstaunen kaum nachfühlen, als er sich vor mir verbeugte und mich bat, nach oben zu kommen.
Man verkündete mit wohlgefälligen Worten meinen Sieg, setzte mir einen Lorbeerkranz auf das Haupt, und der Domgraf überreichte mir die kostbare Laute.
Ich hielt sie fassungslos in den Händen. Sie war ein
Wunderwerk der Handwerkskunst, schöner noch als die, die ich verloren hatte.
Dennoch, sie gebührte nicht mir.
Ich verneigte mich und sprang vom Podium. Geraune folgte meinem Weg zu den Plätzen der Ehrengäste. Und als ich vor dem Sessel stand, auf dem der alte Trouvère saß,
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