Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Peitschenhieb.
»Ich hab den Sigmund nicht umgebracht!«
»Nein«, sagte ich sanft. »Das hast du nicht.«
Verblüfft sah er mich an.
»Du hast meinen Vater Gerwin auf dem Gewissen«, ergänzte ich ebenso sanft.
»Du hast mich damals belogen, Cuntz«, sagte der Ritter ruhig. »Warum?«
Offensichtlich sah der Pächter ein Schlupfloch, nachdem sich seine schlimmsten Befürchtungen nicht bewahrheitet hatten. Seine Augen funkelten plötzlich auf, und er sprudelte hervor: »Der Sigmund war’s. Der hat den Burgherrn erstochen. Er hat mich gezwungen. Er hat gedroht, mich auch umzubringen, wenn ich’s nicht so sage, wie er es will.«
»Ja, der Burgvogt Sigmund. Der ist nun tot. Bedauerlich, dass Tote nicht mehr reden können. Was hätte er uns wohl gesagt, warum er den Herrn Eberhart umgebracht hat?«
Ich behielt meinen ruhigen Ton bei.
»Ich weiß es nicht, Herr. Er hat nur dagestanden und mich mit dem blutigen Messer bedroht und gesagt, er massakriert mich, wenn ich nicht tue, was er will.«
»Wo hat er gestanden?«
»Na, da im Stall.«
Ulrich lächelte den Pächter an.
»Erzähl mal ganz genau, was du da gesehen und gehört hast.«
Katz und Maus. Das konnte Ulrich also auch spielen. Cuntz konnte inzwischen nicht mehr genau erahnen, was wir schon alles wussten und womit er seinen Kopf in die Schlinge steckte.
Seine Geschichte war entsprechend vage und wies allerlei Lücken auf. Wir zerpflückten sie ihm kurz und heftig, und Ulrich lächelte noch einmal. Ich hoffte nur, dass diese Art von Lächeln nie mir gelten würde.
Cuntz wurde mürbe, versuchte noch eine Ausflucht, aber dann kam die Wahrheit heraus, und sie lautete doch etwas anders als das, was wir vermutet hatten. Eberhart wollte an jenem Tag nach Lohmar reiten, das stimmte zumindest. Er hatte aber davor das Pachtgut aufgesucht. Und hier hatte er im Pferdestall Sigmund angetroffen. Cuntz war ungesehen Zeuge eines heftigen Wortwechsels geworden, der dann zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung führte, bei der Sigmund plötzlich das Messer gezogen und schäumend vor Wut zugestochen hatte.
»Und du hast untätig danebengestanden und hast zugeschaut?«, fragte ich, als Cuntz seinen mageren Bericht beendet hatte.
»Ich konnte doch nichts tun«, jammerte er.
»Die Streitenden auseinanderbringen oder Hilfe holen?«
»Er ist ein Feigling, Ulrich. Außerdem nehme ich an, war er viel zu sehr von dem Grund des Streites gefesselt. War es nicht so, Cuntz?«
»Ich konnt doch nicht weg. War hinten an der Mauer, und die Pferde stiegen und alles.«
»Eine schrecklich gefährliche Situation. Ich verstehe. Doch günstig für uns, denn so erfahren wir endlich, worüber der Zwist zwischen dem Burgherrn und dem Vogt entstanden ist. Erzähle!«
Es hatte dem Pächter gedämmert, dass er sich möglicherweise auf diese Art herauswinden konnte, und so plapperte er drauflos. Aber bei allem Wunsch, seine Beichte abzulegen, ließ er doch fein säuberlich alle Hinweise auf seine Mitschuld aus. Wie ich es mir schon gedacht hatte, war der Grund der Auseinandersetzung Margarethe gewesen, von deren ehebrecherischem Verhältnis mit dem Vogt Eberhart kurz zuvor von meinem Bruder erfahren hatte. Doch
nicht nur Eberhart hatte den Vogt mit wütenden Vorwürfen traktiert; bei Sigmund war ein noch viel älterer Groll hochgekocht. Er warf dem Burgherrn im Gegenzug zu seinen Anschuldigungen vor, vor Jahren seinen zweijährigen Sohn umgebracht zu haben.
Ich rieb mir die Schläfen. Dass mein kindischer Bruder auf die Unzucht zwischen Margarethe und Sigmund gestoßen war, wusste ich bereits von Nele. Dass er sein Wissen zu Eberhart getragen hatte, war mir neu. Aber es erklärte zumindest dessen wutentbrannte Reaktion. Aber dass der Burgherr für den Tod von Sigmunds Sohn verantwortlich gewesen sein sollte, traf mich unerwartet. Dazu musste Ida doch etwas wissen.
Heilige Apollonia von den Zahnschmerzen.
»Hardo?«
»Entschuldigung. Es ergibt sich ein anderes Bild, Ulrich. Aber zuvor sollte uns Cuntz doch noch berichten, wie Eberhart vom Gutshof in den Stall in der Burg gekommen ist.«
Auch hier war der Pächter willig und berichtete, er sei gezwungen worden, die Gaukelei mitzumachen, die Sigmund sich ausgedacht hatte. Er hatte sich Eberharts Umhang übergeworfen, sich auf dessen Pferd gesetzt und war so mit dem Vogt zusammen in die Burg geritten, hatte sich in den Ställen aber versteckt gehalten. Später, nach der Vesper, hatten er und der Vogt die Burg durch den Gang in der
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