Das Spiel des Saengers Historischer Roman
mit ihr zusammen, als er gestorben war. Ich hatte ja ihren Eintritt ins Kloster zu regeln. Sie hatte mir Nachricht geschickt, wenige Tage nach dem Unglück, in der sie mich bat, meinen Einfluss dahingehend gelten zu machen.« Gottfried sah mich entschuldigend an. »Der Name Fleckenstein hat so ein Gewicht.«
»Natürlich.«
»Ich hieß ihre Entscheidung gut und glaubte, sie würde
in der geregelten Welt des Ordens ihren Frieden finden. Aber wie wir nun wissen, tat sie es nicht.«
»Nein. Und nun zu der Laute. Wie seid Ihr dazu gekommen?«
»Ich kam nach Langel, um sie und ihren Tross zu begleiten, der sie nach Rolandswerth bringen sollte.« Gottfried zupfte eine verblühte Rose ab und sah mich an. »Nein, ich kann mich an Euch nicht erinnern. Ich habe auf keinen der Leute hier besonders geachtet.«
»Ich kann mich an Euren Besuch ebenfalls nicht erinnern, denn in jener Zeit hielt ich mich oft tagelang in den Wäldern auf. Mich vermisste augenscheinlich auch niemand, denn man machte mir keine Vorwürfe deshalb. Eines Tages kam ich zurück und hörte von Ida, die Burgherrin sei abgereist, um ins Kloster einzutreten. Es berührte mich nicht sonderlich.«
»Warum hätte es auch? Aber ich wollte Euch von der Laute erzählen. Es war am Tag der Abreise, und ich wollte Margarethe zu ihrem Tross rufen, fand sie aber in ihrer Kemenate nicht vor. Als ich in das Gemach des verstorbenen Burgherrn schaute, sah ich sie dort mit der Laute in der Hand. Sie hatte sie aus der Umhüllung geholt und hielt sie am Hals, bereit, sie an die Kaminumfassung zu schmettern. Ich fiel ihr in den Arm und entwand sie ihr. Es gab ein kurzes Gerangel, dann gab sie auf. Auf meine Frage, warum sie ein so kostbares Instrument, das ihr Gatte hoch geschätzt hatte, zerstören wollte, ergoss sie einen Kübel Gift über mich. Ich erspare Euch Einzelheiten, aber sinngemäß gab sie mir zu verstehen, dass sie die Laute als Symbol ihrer Demütigung betrachtete. ›Er sang von Minne, immer sang er von der Minne, aber nie galten die Worte mir.‹ So lautete ihr Vorwurf.«
Eberhart, ein Mann von edler Gesinnung, und Margarethe, ein Weib von niederen Trieben - sie beide waren nicht glücklich miteinander gewesen. Das leuchtete mir heute ein.
»Ja, Gottfried, ich lauschte oft am Fenster seinen Liedern. Diese Momente gehörten zu den besten meines Lebens. Doch
ich war noch zu jung, um ihre Bedeutung zu verstehen. Was die Minne darin betraf, wurde mir erst bei Urbans Besuch wirklich klar. Mit welchen Folgen, das habe ich ja berichtet.«
»Ja, das habt Ihr. Ich habe damals die Laute an mich genommen, Hardo. Manches Mal habe ich mich gefragt, ob Eberhart meiner Schwester wirklich Anlass zur Klage gegeben hat. Aber heute, da ich nun ihr gnadenloses Streben nach Aufmerksamkeit kenne, nehme ich ihr ihr Lamento nicht mehr ab. Ihr habt recht, die Minne hat viele Seiten, und sie hat die liebliche, tröstende, vertrauende, die sie hätte zeigen sollen, nie entdeckt.«
»Hat sie Eberhart dermaßen gehasst, dass sie seinen Tod wünschte?«
Gottfried sah mich lange an.
»Eine erschreckende Vorstellung, Hardo. Ich will das nicht glauben.«
»Glauben, Unglauben und Aberglaube haben sehr viel Unglück angerichtet.«
»Lasst mich alleine, Hardo.«
Ich verließ ihn, wieder einmal unglücklich darüber, einen aufrichtigen, gütigen Mann traurig gemacht zu haben.
Aber auch ich musste eine Weile nachsinnen und suchte dazu die Kapelle auf. Kühl war es hier drinnen, friedlich. Die Kerzen waren erloschen, doch die bunten Blumen, mit denen die Jungfern oder Ida die Heiligen geschmückt hatten, leuchteten in den Sonnenstrahlen, die durch die Fenster fielen. Aber weder der heiligen Apollonia noch dem heiligen Laurentius, die in ihren Nischen standen, erwies ich meine Reverenz, sondern kniete vor dem Altar nieder. Ein schlichter Tisch aus weißem Marmor, darauf ein hölzernes Kreuz - mehr war es nicht, mehr brauchte ich nicht.
Worte, auch das Paternoster, brauchte ich ebenfalls nicht. Ich suchte nach ganz anderen Antworten.
Denn sooft ich meine Geschichte nun auch schon erzählt hatte, ihr Sinn erschloss sich mir noch immer nicht. Selbst nun, da ich wusste, dass ich auf diese Fahrt geschickt worden
war, um die Fähigkeiten in mir selbst zu entdecken, die ein weiser Mann im Wald in einem jungen Tölpel gesehen hatte, erkannte ich nicht, wohin sie mich führen sollte. Ich hatte meinen Glauben verloren, meinen Aberglauben und meinen Schicksalsglauben. Unglauben war geblieben.
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