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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Nüchternheit, die Fähigkeit zu handeln, materiellen Wohlstand zu erwerben, mich meiner Haut zu wehren, und die Gabe, die Gefühle der Menschen mit meinen Liedern absichtsvoll zu lenken, das hatte ich alles herausgefunden, und dafür war ich dankbar.
    Meinen Dank hätte ich Urban gerne abgestattet, doch er hatte mich verlassen.
    Zurück blieben Fragen.
    Warum war die Laute in meine Hände gelangt?
    Niemand hatte mir den Weg nach Speyer gewiesen. Der Zufall hatte den Kaufmann Erasmus von der Heyd meinen Weg kreuzen lassen, als ich im tiefsten Tal des Jammers angelangt war. Der Zufall hatte ausgerechnet Gottfried die Laute in die Hand gespielt. Der Zufall hatte mich zur Sterbestunde an das Lager meiner Mutter geführt, die mir mit ihrem letzten Atemzug die Verbindung zwischen meinem Vater und Eberhart offenbart hatte.
    Zu jedem anderen Zeitpunkt meiner Reise hätte ich einen anderen Weg einschlagen können, der mich nicht zu diesen Stätten, zu diesen Menschen geführt hätte. Ich hätte, wenn ich mich besser benommen hätte, auf dem Gut in Villip bleiben können als Stallbursche, vielleicht später als Stallmeister. Ich hätte Line am Drachenfels ihrem Schicksal überlassen und die magische Laute weit früher in meinen Besitz bringen können. Ich hätte bei dem Überfall der Räuber den Handelsherrn Erasmus töten können und wäre nicht im Kerker gelandet. Ich hätte meine Stimme nicht verloren und die Laute wiedergewonnen. Ich hätte mit Loretta an Ruperts Hof ziehen können als geachteter Sänger und Erzähler. An viele andere Wegkreuzungen war ich gelangt, und immer hatte ich jene gewählt, die mich
jetzt und hierhergeführt hatten als der, der ich war: Hardo von Langel.
    Hatte ich mein Schicksal selbst in die Hand genommen, oder war ich einem vorgegebenen Weg gefolgt, der mich so und nicht anders hatte handeln lassen?
    Man hatte mir bei meiner Geburt die Sterne gedeutet, der Unglücksstern war wohl der Anlass dazu gewesen. Meine Lebensspanne wurde dabei auf zwei Dutzend Jahre errechnet, und mein Weg führte geradewegs in die Hölle. Das wurde mir beständig eingebleut.
    Nun hatte ich das vorhergesagte Alter um vier Jahre überschritten und lebte noch immer. Und die Hölle schien fern. Wenn ich diese Burg lebend verlassen würde, lag meine Zukunft im Sonnenschein vor ihren Toren. Der große Strom, die Handelsstraße, wartete auf mich.
    Man hatte mir gesagt, ich würde meinem Schicksal nicht entkommen können, und doch war ich es. Auf der anderen Seite - war es Zufall, dass ich jetzt hier war?
    War es Zufall, dass jemand genau das zu vermeiden versuchte?
    Die Antwort auf diese Frage war der Schlüssel zu etwas, das so nahe lag, dass ich es nicht sehen konnte.
    Ich beugte mich vor und legte die Stirn auf den kalten Boden.
     
    Als ich mich nach einer Weile aufrichtete, hatte ich eine Antwort.

Bohrende Fragen
    Ein äußerst gequältes Stöhnen quoll unter den Decken hervor, als Ismael und Dietrich in ihre Unterkunft traten.
    »Es wird Zeit, sich der rauen Wirklichkeit zu stellen, Herr Secretarius. Zur Morgenandacht haben wir noch Gnade
walten lassen, aber nun ist die Terz schon vorüber, und auch Tote haben aufzustehen.«
    »Nein!«
    »Doch!«, sagte Dietrich ebenso gnadenlos wie Ismael und zerrte die Decke über Puckls Kopf fort. Der schlug die Hände vor die Augen.
    »Es ist so hell hier.«
    »Es ist ein wunderschöner, sonnig lauer Maientag«, flötete Ismael und kippte dem angeschlagenen Secretarius einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf. »Ein Bad, eine Rasur …«
    »Geht weg.«
    »O nein, wir werden uns an dich heften wie die Dämonen an die verdammten Seelen«, meinte Ismael fröhlich. Und Dietrich ergänzte trocken: »Wer saufen kann, muss auch die Folgen tragen wie ein Mann.«
    Mühsam rappelte Puckl sich auf. Er wirkte grünlich im Gesicht, und Ismael reichte ihm den Eimer.
    Als das Schlimmste vorüber war, halfen sie ihm dann doch, sich wieder präsentabel zu machen, und mehrere kalte Güsse am Pferdetrog, ein Humpen Bier und etwas salziger Schinken machten aus dem angeschlagenen Wrack wieder einen halbwegs lebendigen Secretarius.
    »Und jetzt, Puckl, müssen wir uns über die gestrigen Vorfälle unterhalten, die offensichtlich deiner Aufmerksamkeit entgangen sind«, sagte Ismael, als sie sich auf dem Wehrgang in die Sonne setzten, um wieder zu trocknen, denn auch sie hatten einige Ladungen Wasser bei der Zwangsreinigung ihres Kameraden abbekommen.
    »Was ist passiert?«
    Dietrich berichtete, und

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