Das Spiel des Saengers Historischer Roman
sie mir gestern in den Würzwein getan hat. Oder wisst Ihr das gar, Ida?«
»Hat sie das? Mir ist nichts aufgefallen.«
»Etwas, das mich lange schlafen ließ.«
»Ich habe so ein Mittel, das ist richtig. Ein paar Tropfen betäuben den Schmerz und lindern den Husten. Aber zu viel davon macht schläfrig und benommen. Ich habe Puckl gestern etwas davon für Meister Hardo gegeben, weil der doch so Kopfschmerzen hatte.«
»Die Kopfschmerzen bekam er, nachdem Casta von dem Wein getrunken hatte. Habt Ihr vorher noch jemandem diese Arznei gegeben?«
»Nein. Doch, ja, dem Jammerlappen. Entschuldigung, dem Herrn Lucas, nachdem Meister Hardo ihn verprügelt hatte. Dabei hatte der nur ein paar blaue Flecken.«
»Wahrscheinlich hat er sich einen seiner polierten Fingernägel abgebrochen. Das wird ihn weit mehr geschmerzt haben als die paar Prellungen«, bemerkte Engelin mit Häme.
»Oder er hat das Zeug der schönen Loretta weitergegeben«, fügte Casta nüchtern hinzu.
»Das werden wir gleich herausfinden. Legt Euch wieder hin, Ida. Ich werde Hildegunda holen, damit sie eine Weile bei Euch bleibt. Die Novizin ist ein liebes Mädchen.«
Die Jungfern verließen die Wohnung des Vogts, und als sie über den Hof zur Küche gingen, sahen sie Ulrich und Hardo aus dem Weinkeller unter dem Rittersaal kommen.
Engelin blieb stehen und zupfte Casta am Ärmel.
»Was für eine Augenweide«, murmelte sie.
»Beide, Engelin, beide.«
Ihre Heiterkeit kehrte zurück, und ohne sich abzusprechen begannen sie gleichzeitig zu singen:
»Da hat er gemachet also reiche,
von Blumen eine Bettesstatt,
Da wird noch gelachet innigliche,
kommt jemand an den selben Pfad.
Bei den Rosen er wohl mag,
tanderadei - sehe wo mirs Haupte lag.«
Die Sängerinnen wurden mit einer vollendeten Verbeugung belohnt.
Die Macht der Sterne
Meine Herrin war frohgemut und ihre Freundin ebenfalls. Das zeigte mir ihr keckes Liedchen, was ich umso mehr bewunderte, als Ismael, nachdem Ulrich mit der Weinkanne zur Torburg gegangen war, mir von Idas Küchenunfall erzählte.
»Line hat beherzt gehandelt. Und auch das edle Fräulein verhielt sich tapfer.«
»Und Dietrich hat sich wie ein ritterlicher Mann bewährt. Es gehört Mut dazu, einem Leidenden zu seinem eigenen Nutzen Schmerzen zu bereiten.«
»Ja, bei manchen.«
Das Feixen in Ismaels Gesicht machte mich stutzig.
»Noch mehr Opfer?«
»Eines von Bacchus Gnaden. Puckl hat gestern einen Krug Wein geleert und weilt noch nicht wieder unter den Lebenden.«
»Dann erweckt ihn, denn du musst ihn nach einer Sache ausfragen, die uns allen irgendwie entfallen ist, Ismael.«
»Ich habe langsam den Eindruck, dass mein Kopf ohnehin einem löchrigen Eimer gleicht, aus dem alles Mögliche entfleucht. Schrecklich das, wo ich doch das Gefühl habe, ich müsste mich an tausenderlei Einzelheiten erinnern, die uns zusammen ein wahres Bild geben würden.«
»Das geht mir genauso. Aber wenigstens das ist mir eingefallen - gestern, bevor ich niedergeschlagen wurde, war es Puckl, der mich zu Ulrich in den Palas rief. Wer hat ihn dazu beauftragt? Finde das raus.«
Ismael schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn.
»Was bin ich blöde. Natürlich. Jemand wollte, dass Ihr dort hingeht. Ich kümmere mich sofort darum.«
»Gut. Und weißt du zufällig, wo sich der Domgraf aufhält?«
»Ich sah ihn vorhin mit Hacke und Korb in den Lichhof gehen. Ich hoffe, er gräbt keine alten Leichen aus.«
»Witzbold!«
Ich fand den Domgrafen zwischen den Gräbern, wo er in aller Seelenruhe Unkraut rupfte. Er lächelte mich an und erhob sich ächzend.
»Ich wühle gerne in der Erde herum. Es ist ein so sauberes Geschäft.«
»Das sieht man an Euren Händen, Gottfried.«
»Ehrlicher Dreck.«
»Ja, das stimmt.«
»Anders, als der, in dem Ihr gerade eben herumwühlt, was?«
»So kann man das wohl beschreiben.«
»Mich hat Eure Geschichte gestern ziemlich aufgewühlt, Hardo. Dass Eltern nicht immer gut zu ihren Kindern sind, ist nicht ungewöhnlich. Doch Eure Mutter handelte sehr
herzlos an Euch. Warum nur hat sie Euch die Schuld am Tod Eures Vaters gegeben? Das ist so widersinnig.«
»Nein, in ihrer Welt ist das ganz folgerichtig. Sie war eine abergläubische Natur, Gottfried. Ihr Leben war bestimmt durch Omen, böse Geister, Schicksalsmächte, denen sie ihrer Meinung nach hilflos ausgeliefert war. Das Einzige, was ihr Hilfe bot, war der christliche Glaube, aber nicht in der Hingabe an Gott, sondern nur in seinen greifbaren
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