Das Spiel des Saengers Historischer Roman
den Tod eines anderen Menschen. Und wer immer sonst den Tod eines Menschen billigt, macht sich auf gleiche Weise schuldig wie ein Mörder.«
»Ihr habt Euch kundig gemacht«, sagte ich mit verhaltener Stimme zu Ulrich, und er antwortete ebenso gedämpft: »Ich nehme meine Aufgaben ernst, Hardo. Ich habe mich mit einigen Rechtsgelehrten unterhalten und auch die Schriften gelesen.«
Dann sah er in die Runde vor uns.
»Beginnen wir mit den Ereignissen, die vor zehn Jahren
mit dem Tod des Burgherrn Eberhart von Langel begonnen haben.«
In nüchternem Ton berichtete er von dem Streit zwischen dem Vogt und dem Burgherrn auf dem Pachtgut und von der Vertuschung der Tat.
Es war totenstill im Saal.
»Ich habe damals nicht die genügende Sorgfalt walten lassen«, endete der Ritter. »Ich hätte Fragen stellen müssen, dann wäre ein unschuldiger Mann nicht hingerichtet worden. Ich sehe es als meine höchsteigene Verantwortung an, diese Fragen hier und heute zu stellen, um die wahren Täter zu überführen. Ida, Sigmunds Weib, hat den Leichnam am Morgen der Tat für das Begräbnis hergerichtet. Tretet vor und sprecht jetzt, Ida, was Euch aufgefallen ist.«
Ida sandte einen flehentlichen Blick zu Engelin und Casta auf der Bank hinter ihr, und meine Herrin nickte ihr aufmunternd zu. Sie stand also auf und berichtete mühsam und stockend, dass sie die Starre des Toten bemerkt, aber diesen Umstand aus Angst vor ihrem Gemahl verschwiegen hatte.
»Er hätte mich totgeschlagen, Herr«, schloss sie ihre Ausführung heiser.
»Hardo?«
Ulrich hatte mein Unbehagen bemerkt. Ja, Ida trug Mitschuld, aber ich hatte Verständnis für sie. Trotz allem. Sigmund war ein bösartiger Mann, ich hatte unter seinen Schlägen ebenso zu leiden gehabt wie sie. Aber sie musste nun bekennen, was sie wirklich wusste.
»Bei dem Streit, Ida, ging es, wie wir hörten, um zwei Angelegenheiten. Das ehebrecherische Verhältnis Sigmunds zu der Burgherrin und den Tod Eures Sohnes. Was könnt Ihr dazu sagen?«, fragte ich.
Ihre unverletzte Hand krampfte sich in ihre Schürze, aber sie sah mutig zu uns hoch.
»Ich habe es gewusst, ihr Herren. Aber was sollte ich tun? Dem Sigmund genügte ich nicht, und Kinder konnte ich nicht mehr bekommen. Aber ich hätte es dem Herrn
Eberhart sagen müssen, nicht wahr? Ich weiß, die Frau Margarethe war oft schwanger. Und immer verlor sie das Kind.«
»Sancta Maria«, flüsterte Ulrich neben mir.
»Woher wusstet Ihr das, Ida?«
»Eure Mutter und ich dienten ihr als Kammerfrauen und, wie sie es nannte, Hofdamen. Herr, Frauen merken so etwas an vielerlei Dingen.«
»Verstehe ich das richtig? Die Burgherrin wurde schwanger in der Abwesenheit Eberharts und verlor die Früchte ihres Leibes?«
Die Äbtissin hatte den Schleier über ihr Gesicht gezogen und umklammerte das goldene Kreuz, das um ihren Hals hing. Ida sah nicht zu ihr hin, als sie die Frage bejahte.
»Gut, Ida, und nun zu Eurem eigenen Sohn.«
»Er war zwei Jahre alt, Herr, und er spielte im Zwinger. Herr Eberhart kam eingeritten, sein Pferd scheute und traf den Jungen mit dem Huf am Kopf. Er war tot, als ich zu ihm gelangte. Der Herr war entsetzt, aber er hat ihn nicht mit Absicht verletzt. Aber Sigmund warf es ihm vor.«
»Warum?«
»Ich weiß nicht, Herr. Sie waren gemeinsam aufgewachsen, wie Brüder. Aber der Sigmund war nie zufrieden, glaube ich. Und er wusste damals, dass ich nicht mehr gebären konnte.«
Ulrich nickte und fragte mich dann: »Habt Ihr weitere Fragen an Frau Ida, Hardo?«
»Nein.«
»Ich habe noch eine, Frau Ida. Wer ist der Vater von Karl von Langel?«
Jetzt schaute Ida doch zu der Äbtissin hin, die aber unbewegt auf ihr Kreuz starrte.
»Das Kind wurde nach sieben Monaten geboren, und doch war es ausgewachsen wie nach der vollen Zeit. Neun Monate zuvor aber war der Herr Eberhart noch auf Preußenfahrt.«
Casta nickte stumm, und meine Herrin nahm ihre Hand.
Vermutlich hatte das edle Fräulein inzwischen auch so etwas geahnt. Ebenso wie ihr Bruder, der nun sein Leben lang schweigen würde.
»Und, Frau Ida, wie steht es mit Herrn Eberharts Tochter?«, fragte Ulrich, und seine Stimme klang belegt.
»Sie ist sein leibliches Kind, denn Sigmund wurde der Herrin Buhle erst nach dem Tod unseres Sohnes.«
»Ich danke Euch, Frau Ida. Frau Margarethe, erhebt Euch und steht uns Rede und Antwort!«
Die Äbtissin blieb sitzen.
»Frau Margarethe!«, donnerte Ulrich.
Sie schüttelte den Kopf und zog den Schleier noch tiefer in ihr
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