Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Gesicht.
»Gestattet, Herr Ulrich, dass ich mit meiner Schwester rede?«, fragte der Domgraf aus der Reihe hinter der Äbtissin.
»Kurz.«
Gottfried stand auf und sagte leise etwas zu Margarethe. Die erschauderte, erhob sich und stützte sich auf seinen Arm, um dann vorzutreten.
»Ihr habt Euren Gatten am Tag seines Todes gesehen.«
»Ja, Herr. Als er aufgebahrt war.«
»Ihr habt der Aussage Glauben geschenkt, dass der Stallmeister Gerwin ihn ermordet hat.«
»Ja, Herr. Ich hatte keinen Grund, daran zu zweifeln.«
Ulrich nahm sie streng ins Gebet, aber es schien, dass sie das Ränkespiel tatsächlich nicht durchschaut hatte. Ihr unzüchtiger Lebenswandel, der Kindsmord, ihr Hass auf ihren Gatten und viele weitere Vergehen anderer Natur waren nicht Gegenstand der heutigen Untersuchung, und ich erlaubte ihr, ohne ihr weitere Fragen zu stellen, sich zu setzen.
»Pächter Cuntz, trete vor.«
Cuntz hatte offensichtlich mit allem abgeschlossen, ein gebrochener Mann, dem bewusst geworden war, was er getan hatte. Er schilderte mit tonloser Stimme noch einmal den Streit, der in seinem Pferdestall stattgefunden hatte, das
heimliche Fortschaffen des Toten und den Verrat an meinem Vater. Wir unterbrachen ihn nicht. Erst als er geendet hatte, fragte Ulrich: »Du hast Hardo von Langel erkannt, als er uns seine Geschichte erzählt hat?«
»Ja, Herr.«
»Und hast daraufhin versucht, durch den geheimen Gang der Burg zu entfliehen.«
»Ja, Herr.«
»Und als deine Flucht durch die Jungfer Engelin entdeckt wurde, hast du sie in den Schacht gestoßen und Herrn Hardo um Hilfe gebeten.«
»Was?«, brüllte Hinrich van Dyke und sprang auf.
»Setzt Euch, van Dyke, und hört zu«, mahnte Ulrich den aufgebrachten Handelsherrn. Einer der Mannen trat an seine Seite.
»Als Herr Hardo in den Schacht stieg, um die Jungfer zu retten, hast du die Bodenplatte über den Einstieg geschoben, obwohl dir bekannt war, dass der Gang unter dem Graben einzustürzen drohte.«
»Ja, Herr.«
Ein zweiter Bewaffneter musste den Kaufmann festhalten. Engelin stand auf und kniete vor ihrem Vater nieder.
»Dein Mordversuch wurde durch das umsichtige Verhalten des Herrn Hardo vereitelt, der sich und Jungfer Engelin unverletzt durch den Gang aus der Burg führte. Ich möchte an dieser Stelle die Jungherren Ismael, Sebastian und Dietrich ausdrücklich loben, denn ihrer Umsicht ist es zu danken, dass Hardo und Jungfer Engelin Hilfe bekamen, Cuntz überwältigt wurde und diese Tat zunächst geheim gehalten werden konnte.«
Es geschah nicht oft, aber Ismael errötete bis in die Haarspitzen.
»Habt Ihr noch Fragen an Pächter Cuntz, Hardo?«
»Nein.«
»Setz dich, Pächter Cuntz.«
Er schlich gebeugt an seinen Platz zurück und blieb mit
stumpfer Miene und gebeugten Schultern sitzen. Seine Rosstäuschereien wogen wenig gegen diese Taten, sie wollte ich nicht auch noch zur Sprache bringen. Ulrich schien es ebenso zu sehen. Er rief den nächsten Schuldigen auf.
»Magister Johannes, Burgkaplan zu Langel, hat mitgeholfen, den Burgherrn aufzubahren. Tretet vor, Johannes Muhlenstein«, forderte der Ritter barsch.
Der Krug Wein, den der Kaplan in der Zwischenzeit geleert hatte, hatte ihn offensichtlich belebt. Er trat vor und beantwortete die Fragen nach dem Geheimgang laut und deutlich und stellte sich selbst als Opfer der Umstände dar. Die Erpressung wegen seiner verbotenen Beziehung zu dem Gelehrten erwähnte er nicht, sondern sprach nur von Sigmunds Drohung, ihn ebenfalls zu vernichten.
»Aber wenn Ihr schon uns alle des Mordes beschuldigt, die davon wussten, dann müsst Ihr auch Doktor Humbert befragen, denn der war schließlich Augenzeuge des tödlichen Streites«, schloss er seine Rede und setzte sich unaufgefordert wieder.
»Holla«, murmelte Ulrich neben mir.
Wie ich Überraschungen hasse!
Humbert sprang auf, obgleich er gefesselt war. Die zwei Wachmänner an seiner Seite hielten ihn fest.
»Und nun hören wir die ganze Geschichte. Johannes Muhlenstein, tretet wieder vor.«
Ein abgrundtief bösartiger Blick des Gelehrten traf den Kaplan.
Der aber reckte seinen feisten Hals und begann zu sprechen.
So erfuhren wir, dass Doktor Humbert just in jenem Jahr dreizehnhundertvierundneunzig seine Stelle als Astrologe am Hof des Grafen von der Mark verloren hatte.
Das war mir neu. Ich hatte mich schon einmal gefragt, was der Gelehrte eigentlich vor seiner Zeit an der Kölner Universität getrieben hatte, diesen Gedanken aber nicht weiter verfolgt.
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