Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Nachmittag gefragt, Herr Ulrich … Ich meine, darf ich Euch etwas fragen?«
»Nur zu, Junge.«
»Der Kaplan und der Gelehrte, die sind sich offensichtlich nicht erst hier begegnet, nicht wahr? Ich meine, eine solch unzüchtige Handlung begeht man doch nicht gleich mit einem Fremden.«
»Sehr wahrscheinlich nicht, aber auch das kann wohl vorkommen. Immerhin, deine Frage ist klug, und sie verdient eine Antwort. Nein, Magister Johannes und Doktor Humbert kennen sich nicht erst seit zwei Tagen.«
Der Ritter sah mich an.
»Erzählt nur, Herr Ulrich. Mich interessiert Eure Version der Geschichte ebenso wie Ismael.«
»Dann will ich ein wenig ausholen. Soweit ich weiß, hatte der Ritter, der einst mit dieser Burg belehnt wurde - ein Vasall des Kölner Erzbischofs -, drei lebende Kinder großgezogen. Eine Tochter, deren Name mir entfallen ist, den ältesten Sohn Eberhart und seinen um ein Jahr jüngeren Bruder Humbert. Die Tochter wurde mit einem Hofministerialen verheiratet, der ältere Sohn wurde zum Ritter erzogen, und jener Humbert besuchte zunächst eine Klosterschule. Hier lernte er Johannes Muhlenstein kennen. Ihre Wege trennten sich, denn Johannes besuchte das theologische Kolleg, Humbert ging nach Bologna und erwarb dort den Doktortitel. Aber die beiden Freunde verloren einander anscheinend nicht aus den Augen, und als Humbert zurückkam und als Hofastrologe in Kleve tätig wurde, sorgte er dafür, dass sein älterer Bruder Eberhart, der inzwischen das Lehen geerbt hatte, Magister Johannes die Stelle des Burgkaplans gab.«
»Klüngel«, grinste Ismael.
»Sicher.«
Ich schwieg mich dazu aus, denn wie ich Ismael kannte, würde er den Ritter weiter zum Reden bringen. Und schon brach die nächste Frage aus ihm heraus: »Wieso erbt denn der Doktor Humbert das Lehen nicht, Herr Ulrich? Wenn er doch der Bruder des ehemaligen Burgherrn ist.«
»Weil ein leiblicher Erbe vorhanden war: Karl, Eberharts Sohn. Doch der war erst zehn Jahre alt. Doktor Humbert hat es damals abgelehnt, als sein Vormund das Lehen bis zu dessen Volljährigkeit zu übernehmen. Er hatte, wenn ich es recht in Erinnerung habe, gerade die Berufung als Professor an die Universität in Köln erhalten. Daher haben wir es dem Burgvogt übergeben, bis Karl das rechte Alter erreicht hat.«
Ich sah es in Ismaels Gesicht arbeiten. Plötzlich bekam er kugelrunde Augen, als ihm die Erkenntnis dämmerte.
»Fräulein Casta erhebt Anspruch auf die Burg als Kunkellehen. Die Äbtissin - sie ist ihre Mutter. Dann ist das richtig: Die Äbtissin Margarethe war Herrn Eberharts Weib?«
»So ist es. Mit ihr hatte der Ritter zwei Kinder, zumindest zwei, die überlebten. Casta und Karl, jener Sohn und Erbe, der das schweigende Leben der Kartäuser gewählt hat und auf sein Erbe verzichtet. Weshalb wir uns hier zusammengefunden haben, um das Lehen neu zu vergeben.«
»Aber warum hat sie …?«
»Sie hat nach dem Tod ihres Gemahls die Burg im Gram verlassen und den Schleier genommen. Da sie aus der hochwohlgeborenen Familie derer von Fleckenstein stammt, nehme ich an, ist es ihr nicht schwergefallen, das hohe Amt der Äbtissin im Kloster zu Rolandswerth zu erhalten.«
»Seither hat der Sigmund alleine die Burg und die Ländereien verwaltet. Könnte es sein, dass es ihm nicht gefallen hat, dass er nun einen neuen Herrn bekommen sollte?«
»Vermutlich nicht. Aber wäre das ein Grund, vom Turm in den Tod zu springen?«
»Äh - nein. Aber er könnte sich mit jemandem darüber angelegt haben.« Und nun grinste Ismael unverschämt. »Zum Beispiel mit Euch, Herr Ulrich.«
»Hätte er. Aber wie du dich erinnerst, stand ich unten am Bergfried, als er fiel.«
»Schon, aber die Wachen gehorchen Eurem Befehl.«
Ich lächelte in mich hinein, sagte aber einigermaßen ungerührt: »So ist das, wenn jemand Feststellungen macht.«
Der Ritter nickte ernst.
»Ja, Ihr müsst großes Misstrauen mir gegenüber hegen, Meister Hardo. Ich bedauere es, aber ich kann es wohl nicht ändern.«
»Warum sollte Euch wohl daran liegen?«
»Weil ich trotz allem auf Vergebung hoffe.«
Ein Anflug von lange vergessener Bitterkeit stieg in meiner Kehle auf, und ich spülte ihn mit dem süßen Wein hinunter.
Ismaels Augen glitten zwischen uns beiden hin und her. Der Junge und ich kannten uns nun seit fünf Jahren, und die eine oder andere Begebenheit aus meiner Vergangenheit war ihm vertraut. Von meinem Verhältnis zu Ritter von der Arken aber wusste er nichts; er hatte keine Ahnung von
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