Das Spiel des Saengers Historischer Roman
mein Vater mich mit ihm gleichsetzte. Darum ging ich ihm so weit wie möglich aus dem Weg.
Meiner Mutter war all das gleichgültig. Sie hatte pflichtgetreu ihre Kinder geboren, hielt meine beiden älteren Schwestern dazu an, die häuslichen Arbeiten zu verrichten, und verbrachte, wann immer ihre Rolle als Margarethes Hofdame es zuließ, ihre Zeit in der Kapelle oder vor dem Heiligenhäuschen im Lindenhain. Der Schweifstern hätte ihr eine höllische Angst verursacht; sie fürchtete allerlei dämonische Mächte und war immer auf der Suche nach Schutz vor ihnen. Talismane, geweihte Zettelchen, vor allem aber Reliquien hielt sie für wichtig, um das Böse abzuwehren. Jedem dahergekommenen Scharlatan, der Holz aus dem Kreuz des Herrn oder Fasern aus seiner Windel, die Fingernägel, Blutstropfen oder Haarsträhnen irgendeines Heiligen anzubieten hatte, steckte sie ihre sauer gesparten Münzen zu. Jedem von uns Kindern hatte sie eine solche Reliquie um den Hals gebunden. Damit aber erschöpfte sich auch ihre Fürsorge. Mich aber hatte sie immer mit größtem Misstrauen behandelt, hatte man ihr doch bei der Geburt bereits erklärt, dass ich unter einem Unglücksstern das Licht der Welt erblickt hatte.
Ida musste mich damals immer genau beobachtet und meine Züge in ihr Gedächtnis eingebrannt haben, denn von dem Tropf mit den Simpelfransen, den ungelenken Gliedern und dem schmutzigen Gesicht war nun nicht mehr viel übrig geblieben. Ich war ein anderer geworden, nicht nur äußerlich.
Und weil ich ein anderer war, hatte nun auch mein ehemaliges Heim eine andere Bedeutung für mich. Meine Familie lebte hier nicht mehr, der Burgherr war gestorben, seine Gemahlin ins Kloster gegangen. Was immer mir hier widerfahren war an Demütigung, Strafe und Verachtung, es war Vergangenheit.
Zufrieden atmete ich den Duft der Rosen ein. Rosen, das Symbol der Minne, der Liebe.
Liebe war geblieben.
Idas Liebe.
Wenn dieses Gaukelspiel vorüber war, würde ich dafür sorgen, dass sie ihr vergolten wurde. Mit Zins und Zinseszins.
Natürlich würde ich sie vor allen Verdächtigungen schützen, ihren Gatten vom Söller gestoßen zu haben. Obwohl sie allen Grund dafür hatte. Sigmund hatte sie immer ausgesprochen schäbig behandelt, hatte sie oft vor den Leuten geohrfeigt und ihr beständig vorgeworfen, dass sie ihm keinen weiteren Sohn geschenkt hatte, nachdem ihr zweites Kind, ein Junge, gestorben war, gerade als er krabbeln konnte. Jonata war ihr erstes Kind; zwei Jahre nach mir war sie zur Welt gekommen, kurz nachdem Ida den Burgvogt geheiratet hatte. Sie musste damals sehr jung gewesen sein, ein Mädchen fast noch, denn sie war auch heute noch kein altes Weib. Wenn sich ihre Wangen in der Glut des Herdes röteten, ihre flinken Hände wohlriechende Kräuter zupften, dann war sie ein hübscher Anblick in ihrer adretten Schürze und dem weißen, ordentlichen Gebende.
Jonata war auch eine von denjenigen, die mich inzwischen erkannt hatten. Oder Ida hatte es ihr gesagt, obwohl ich das kaum glauben mochte, denn sie war nie eine Klatschbase gewesen. Auf jeden Fall aber konnte ich an Jonatas erstaunten Blicken merken, dass sie Vergleiche anstellte. Zu dem früheren Tölpel - und zu ihrem vierschrötigen Mann, den Pächter Cuntz. Sie fielen in beiden Fällen offensichtlich zu meinen Gunsten aus.
Sie hätte einst die Gelegenheit gehabt, nun war sie vorbei.
Andererseits - der törichte, liebestrunkene Bursche, der ich damals gewesen war, der sie mit seinem Katermaunzen umwarb, war sicher nicht das Wunschbild eines Liebhabers, gar eines Gatten. Mittellos, ungebildet, faul - und außerdem der Sohn eines Mörders.
Jonata hatte schon damals die Möglichkeit gehabt,
andere Jünglinge kennenzulernen, denn zu Lebzeiten des Herrn Eberhart war die Burg ein geselliges Anwesen, vor allem, wenn er von seinen Fahrten zurückkam. Dann wurden Gäste eingeladen, Spielleute unterhielten sie, und etliche Edelknaben aus vornehmen Familien, die von ihm zu Knappen ausgebildet wurden, warteten ihnen auf. Jungen und Jünglinge, die höfisches Benehmen lernten, bei Tisch bedienten, mit den Waffen übten und mit den Pferden, die ich betreute, ausreiten durften. Ich neidete ihnen ihr Leben, obwohl auch sie Härten auf sich nehmen mussten. Aber immer, wenn ich versuchte, mit einem von ihnen Freundschaft zu schließen, verbot mir mein Vater den Umgang mit ihnen. Ein Stoffel wie ich hatte nicht das Recht dazu, den edlen Knaben lästig zu fallen.
Dennoch war es Herr
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