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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Vergeltung. Erst als dieser sehr ernste Augenblick verflogen war, ließ er meine Hand los und drehte sich zu Ismael um.
    »Wirst auch du mir die Güte deiner Freundschaft erweisen, mein Junge?«

    »Sicher. Aber nicht um Gottes Lohn, Herr.«
    Ulrich lachte.
    »Bezahlte Loyalität, was? Nun, wir werden verhandeln. Demnächst.«
    Er verließ uns, und ich betrachtete meinen Begleiter. Der ruckelte etwas unbehaglich auf seinem Polster herum und sagte schließlich: »Ihr habt ihm von Anfang an misstraut, Meister. Ehrlich. Ich hab doch Augen im Kopf.«
    »Ja, ich habe Vorsicht walten lassen.«
    »Und warum lasst Ihr sie jetzt fahren?«
    »Weil ich inzwischen das Gefühl habe, dass er ein ehrenwerter Mann ist. Es sind zehn Jahre vergangen, seit er meinen Vater verurteilt hat. Wir haben jeder eine Wandlung durchgemacht.«
    Mehr konnte ich ihm dazu auch nicht sagen. Gefühle sind nichts, das man erklären kann. Ismael musste zu seinem eigenen Entschluss kommen.
    Er stützte das Kinn in die Hände.
    Ich ging zum Fenster und schaute in die trübe Nacht hinaus. Kein Mond, keine Sterne, kein Schweifstern, der Regen fiel aus der Schwärze auf das Land. Auf dem Holzdach unter mir schimmerte in der Nässe das Licht aus dem Fenster. Alles sonst war dunkel.
    »Dietrich ist ihm sehr ergeben«, meinte Ismael leise.
    »Ja, den Eindruck habe ich auch.«
    »Er sagt, der Ritter achtet streng auf die Tugenden. Was sind die ritterlichen Tugenden, Meister? Kennt Ihr sie?«
    »Ich kann sie dir aufzählen.« Ich sammelte mich und memorierte: »Das Maß, also Zurückhaltung in allen Dingen. Die Zucht, worunter man Anstand und gute Erziehung und das Beherrschen der Triebe versteht. Ehre natürlich, die Würde und das Ansehen vor der Welt. Die Treue und der hohe Mut - nicht der Hochmut, sondern Ausgeglichenheit. Selbstverständlich die Höflichkeit. Dann die Demut und die Mildtätigkeit. Beständigkeit, Güte und Tapferkeit.«
    »Und damit kommt man in der Welt weiter?«

    »In einer edlen Welt voller edler Menschen - ja.«
    »Mhm. Das fürchte ich auch.«
    Wir hatten eine weit unedlere Welt kennengelernt, in der schneller Witz, Behändigkeit, Entschlusskraft, gelegentlich sehr flinke Beine und auch ein paar fiese Tricks das Überleben sicherten. Aber dennoch …
    »Ein Mensch, der nach diesen Tugenden strebt, bemüht sich um ein gutes Leben.«
    »Und Ihr glaubt, dass der Ritter das tut.«
    »Ich halte ihn für ehrlich. Aber er verschließt vieles hinter seiner Tugend.«
    »Demnach seid Ihr ihm ähnlich, Meister.«
    »Ja, aber ich verstecke viel hinter meinen Untugenden«, beschied ich ihn und grinste ihn an.
    Kichernd stand Ismael auf.
    »Wenn Ihr erlaubt, Meister, suche ich jetzt mein tugendhaftes, doch hartes Lager auf.«
    »Quäl Dietrich nicht bis in die Morgenstunden mit deinen Fragen.«
    »Och - mal sehen …«

Harte Männer unter sich
    Ismael hatte mit Erleichterung auf die freundlichen Worte seines Meisters reagiert, aber tief in ihm rumorte es noch. Zwar hatte er mit seiner heftigen Reaktion endlich Antworten auf seine Fragen erhalten - auch solche, die Hardo hatte hören wollen, dessen war er sich völlig sicher -, aber es ärgerte ihn, dass er die Haltung verloren hatte. Nicht die Unhöflichkeit als solches oder die Demütigung danach kratzten an seinem Selbst, sondern dass er aus der Rolle gefallen war. Das passierte Hardo nie, der blieb immer beherrscht und kaltblütig, selbst in den brenzligsten Augenblicken. Und das bewunderte Ismael an seinem Herrn und
Meister wirklich. Missmutig und mit sich selbst unzufrieden trollte er sich zu den Unterkünften und bediente sich dann auch gleich aus dem Bierkrug, der sich zwischen Dietrich und Puckl eingefunden hatte.
    Der Secretarius aber war es, der Ismael mit seiner ersten Frage die Möglichkeit gab, sein angeschlagenes Selbstbild wieder in die richtige Größenordnung zu katapultieren.
    »Sag mal, Ismael, wie hast du eigentlich den Meister Hardo kennengelernt?«
    »Ah!« Ismael kreuzte die Beine auf dem Lager und drückte sich beide Zeigefinger theatralisch an die Schläfen. »Das ist eine lange Geschichte.«
    »Lange Geschichten hören wir gerne, nicht wahr, Dietrich?«
    »Wenn sie denn wahr sind.«
    »Jedes Wort, Dietrich, jedes Wort.«
    »Dann erzähl!«
    Noch einmal fuhr Ismael sich durch die Haare und seufzte: »Ach, wo beginnen?«
    »Am Anfang?«, schlug Puckl vor.
    »Ja, am Anfang.«
    »Bei deiner Geburt«, ergänzte Dietrich mit einem feinen Lächeln. »Sicher eine schwere,

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