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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Händler, Handwerker und Käufer vor der brennenden Sonne zu schützen. Meilen um Meilen Gänge, durch Verkaufsstände und Werkstätten gebildet. Eine Warenfülle, die ihr euch nicht vorstellen könnt. In
einem Bereich werden Gewürze angeboten, es duftet nach allen noch so wundersamen Spezereien. Daneben stößt man auf Pyramiden von Früchten, Orangen, Limonen, Datteln, Pfirsiche, Feigen. Einen Gang weiter wird Brot gebacken und süße Kuchen oder scharf gewürzte Pasteten. Dann gibt es Töpferwaren, farbenprächtig und glänzend glasiert, oder ziselierte Messinggefäße in hohen Stapeln. Aber die wirklichen Kostbarkeiten, die findet man erst in der Nähe der Moschee. Dort sitzen auf den erlesensten Seidenteppichen die Kaufleute und ihre Kunden, trinken und essen und plaudern, und dabei werden die Geschäfte getätigt. Kostbarste Seiden, golddurchwirkte Brokate, zart gewebte Schleierstoffe fließen wie in schimmernden Bächen von den Borden, wenn die Bahnen ausgebreitet werden. Goldschmiede hämmern und fertigen die filigransten Schmuckstücke an, Edelsteine in funkelnder Farbenpracht liegen zu Hauf in silbernen Körben, erlesene Essenzen werden in hauchdünnen Glasphiolen angeboten, die herrlichen Damaszenerklingen werden hier zur Schau gestellt. Ja, es ist einfach atemberaubend.«
    Mit einem erinnerungsschweren Seufzer lehnte Ismael sich zurück und schloss beseligt die Augen. Dann aber riss er sie wieder auf und sagte in nüchternerem Tonfall: »Doch zurück zu meinem Geschick. Ich war zunächst wie berauscht von all der Pracht, aber dann klärte sich mein Blick, und ich versuchte, eine Möglichkeit zu finden, meiner Lage als Verfolgter zu entkommen. Ein Zufall half mir. Zwischen den Gängen zogen nicht nur die ehrbaren Kaufleute umher, sondern auch bösartiges Gesindel versuchte, sich auf niederträchtige Art zu bereichern. Ich erwischte einen schmutzigen Taschendieb, just als er einem wohlgewandeten Händler in die Börse griff. Der Mann zeigte sich dankbar, vor allem, als er bemerkte, dass ich nicht nur die dortige Sprache, sondern tatsächlich sogar seine heimatliche Zunge beherrschte. Er lud mich in seine Unterkunft ein und ließ sich von mir meine Erlebnisse schildern. Er war ein gottesfürchtiger,
guter Mann, nahm mich als seinen Gehilfen an und gab mir so die Gelegenheit, mit ihm in meine Heimat zurückzukehren. Doch ach, welch traurige Rückkehr! Meine Mutter war vor Gram gestorben, mein Bruder auf der Suche nach mir auf dem Meer verschollen, meine Schwester im Kindbett gestorben. Ich stand ganz alleine da. Ich hätte bei dem Händler bleiben können, doch ins Morgenland mochte ich nicht mehr zurückkehren. Aber die Arbeit als sein Gehilfe hatte mir gefallen, also suchte ich den Fondaco dei Tedeschi auf, die Handelsniederlassung der Deutschen, um dort eine Arbeit zu suchen. Es gelang mir. Ein Kaufmann nahm mich in seinen Dienst, und mit ihm bereiste ich nun die Länder hinter den Alpen. Ich erlernte die neue Sprache und die neuen Sitten, und mein Herr war es zufrieden mit mir. Bis zu jenem unseligen Tag, da wir einer Räuberbande in die Hände fielen. Mein Herr wurde getötet, ich wie tot liegen gelassen. So fand mich Meister Hardo, der Sänger, auf seinem Weg zur Burg Lahnstein. Er nahm mich auf und pflegte mich gesund. Und seither begleite ich ihn als sein Diener.«
    Ismael streckte sich und trank den Rest Bier aus.
    »Ja, so war das«, setzte er hinzu, als er die glasigen Augen seiner Kameraden sah.
    »Was für ein Schicksal!«, sagte Puckl. »Bemerkenswert.« Und dann schüttelte er den Kopf. »Du kannst maurisch sprechen? Sag mal etwas in dieser Sprache«, forderte er.
    Ismael spuckte einen Schwall arabischer Worte aus, von denen nur er wusste, dass es so ziemlich die zotigsten Beschimpfungen waren, die diese Zunge zu bieten hatte. Puckl war aber noch immer nicht befriedigt.
    »Nur ein paar Fragen hätte ich da noch …«
    »Puckl, mein Mund ist schon ganz fusselig vom Reden. Stell sie morgen.«
    Demonstrativ zog Ismael sich die Stiefel aus und begann sein Wams aufzunesteln, in der eindeutigen Absicht, sich zur Ruhe zu begeben.
    »Ja, es ist spät geworden. Gehen wir schlafen«, stimmte
Dietrich ihm zu, und zufrieden mit seiner Leistung und seinem frisch aufpolierten Selbstbild schlüpfte Ismael unter die Decken.

Nächtliche Gedanken
    Ich hatte Ismael nicht eben sanft behandelt, aber wenn ich ihn auch verstand, seine heftige und beleidigende Handlung hatte ich nicht durchgehen lassen können.

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