Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen
Matthew das Video ein zweites Mal abgespielt hat, kommt Tommy herein und schaut verwundert.
Matthew hält ihm das Handy hin. » Alter, hast du Vees Challenge schon gesehen? «
» Sogar live. Das ist Tommys Stimme im Video « , erkläre ich.
Alle ziehen die Augenbrauen hoch und Matthew schlägt Tommy auf den Rücken.
» Gute Arbeit, Alter! Die Backstage-Crew zeigt den Schauspielern, wie es richtig geht! «
Wieder lachen alle und Matthew spielt das Video noch einmal ab. Tommy sieht mich fragend an, aber ich zucke nur mit den Schultern. Glücklicherweise blinken die Lichter über uns, um anzuzeigen, dass die Pause in einer Minute vorbei ist.
Als Matthew rausgeht, ziehe ich ihn beiseite.
» Wie bist du auf mein Video gestoßen? «
Er zuckt mit den Achseln. » Die von Risk haben es mir geschickt. « Damit ist er verschwunden.
Ich bleibe allein in der Garderobe zurück, und mein Herz schlägt so heftig, als wäre ich gerade ein Rennen gelaufen. Warum hat Risk mein Video ausgerechnet Matthew geschickt? Doch dann fällt es mir ein: Er war einer meiner Notfall-Kontakte. Nur komisch, dass sie es nicht auch an Sydney oder Tommy geschickt haben.
Am liebsten würde ich wieder auf die Feuertreppe flüchten, aber ich reiße mich zusammen und nehme meine Position in den Kulissen ein. Die Aufführung muss weitergehen. Und das tut sie auch, genauso glatt wie am Abend zuvor. Als sich Matthew und Syd küssen, stelle ich mir vor, dass ich es bin, die er in die Arme nimmt. Und kurz bevor sich ihre Lippen treffen, sieht er mich direkt an. Ich bin mir sicher, dass ich mir das nicht einbilde. Drei Sekunden– einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig–, dann trennen sie sich. Morgen auf der Party bin ich vielleicht an der Reihe.
Nach dem Stück kommen Liv und Eulie in die Garderobe, um allen zu gratulieren, vor allem aber vermutlich, um nach mir zu sehen. In der letzten Stunde hat mir jede von ihnen mindestens fünf SMS geschickt und nach dem Video gefragt, das sie von Risk bekommen haben. Ich versichere ihnen, dass das Ganze nur ein Spaß war und dass alles in Ordnung ist. Die beiden sind kritischer als meine anderen Freundinnen, fragen aber nicht weiter nach. Vorerst zumindest nicht.
» Möchtest du noch ein bisschen mit zu uns, bevor du nach Hause gehst? « , fragt Liv.
» Ich würde echt gern, aber bis wir bei euch sind, bleiben mir vielleicht noch zehn Minuten, und dann muss ich schon wieder gehen. Aber ihr kommt doch morgen Abend auf die Party, oder? «
Die beiden haben die Plakate für die Show entworfen und eine begeisterte Ankündigung für die Schulzeitschrift geschrieben, deshalb stehen sie auch auf der Gästeliste für die Abschlussparty.
Eulie lacht. » Liv muss mich zwar hinschleifen, aber ja. Wir kommen. « Sie verschränkt die Arme vor ihrem langen, schlanken Körper, der wie immer in unauffälligen Jeans und einem Sweatshirt steckt. Wenn es irgendjemanden gibt, den ich unbedingt umstylen möchte, dann ist sie das. Mit den richtigen Klamotten und dem entsprechenden Make-up könnte sie als Syds Schwester durchgehen– abgesehen davon, dass sie genauso schüchtern ist wie Syd extrovertiert. Sie und Liv gehen, um den anderen zu gratulieren, während ich mich wieder um die Kostüme kümmere.
Matthew kommt zu mir, lässt sich in den Stuhl vor dem Schminktisch fallen und sieht mich prüfend an.
» Hast du Lust, heute mal ein bisschen später nach Hause zu gehen? Ich könnte noch ein paar Videos von dir machen. «
» Ha! Wenn ich später als zehn nach Hause komme, wird mein Hausarrest bis in alle Ewigkeit verlängert. Aber bis dahin sind es noch fünfunddreißig Minuten. Zwanzig davon können wir zusammen hier verbringen. «
Er sieht auf sein Handy. » Verdammt. Das reicht ja kaum, um uns ein Bier zu holen. «
» Brauchen wir das denn überhaupt? «
Er wischt sich über die Stirn. » Du vielleicht nicht, kleine Vee, aber ich habe Durst. Und zwanzig Minuten… das haut zeitlich nicht hin, oder? «
» Wahrscheinlich nicht. «
Seine Freunde stehen ungeduldig an der Tür und rufen: » Komm endlich, Alter! «
Er steht auf und küsst mich auf die Stirn. » Ich kann die Party morgen kaum erwarten. Vielleicht sollten wir ein ›Bitte-nicht-stören‹-Schild an die Garderobentür hängen? «
Wow. Ich frage mich, ob in seiner Vorstellung von morgen Abend womöglich deutlich mehr Action vorgesehen ist als in meiner, aber ich sage nur: » Bis dann! «
Sydney, die sich aus ihrem Korsett befreit und in ein Minikleid
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