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Das Spiel - Laymon, R: Spiel

Das Spiel - Laymon, R: Spiel

Titel: Das Spiel - Laymon, R: Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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»Brace?«
    Keine Antwort.
    Er würde doch nicht einfach abhauen!
    Sie stand auf und spürte etwas Steifes an ihrem Bauch.
    Sie sah an sich herab. Ihr T-Shirt war verknittert, aber nicht blutig. Die Schlafanzughose trug sie ebenfalls noch.
    Schnell raffte sie das T-Shirt hoch.
    Keine Schrift. Keine Schnitte. Braces Taschentuch klebte noch immer über GEHORCHE. Auch darauf war kein Blut zu sehen.
    Falscher Alarm, dachte sie, als sie das Shirt wieder fallen ließ.
    Sie bemerkte einen schmalen Streifen Licht unter der Badezimmertür.
    Einfach nur falscher Alarm.
    Brace saß wahrscheinlich auf dem Klo. Wahrscheinlich hatte er Winky’s Pizza nicht vertragen.
    Jane klopfte gegen die Tür.
    Sie lauschte, hörte aber nur das Summen der Lüftung.

    »Alles in Ordnung?«
    Keine Antwort.
    »Brace?« Sie klopfte fester. »Ist alles in Ordnung da drin?«
    Sie wartete.
    Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Sie drückte die Klinke herunter und öffnete die Tür.
    Brace saß nicht auf der Toilette.
    Er nimmt doch wohl kein Bad! Er soll gefälligst auf mich aufpassen!
    Die Badewanne war von der offenen Tür verdeckt. Jane warf die Tür ins Schloss und entdeckte hellrote Spritzer auf dem Fliesenboden, die zur Badewanne führten. Der undurchsichtige Duschvorhang war geschlossen.
    Aber Jane wusste – wusste – was sie dahinter entdecken würde.
    Mit einem Aufschrei rannte sie auf die Badewanne zu.
    Sie rutschte auf dem Blut aus.
    Mit wedelnden Armen fiel sie auf ihr Steißbein.
    Schmerz breitete sich von ihrem Hintern bis in die Wirbelsäule aus. Sie rutschte auf dem Rücken durch den Raum, bis ihre Fußsohlen gegen den Rand der Wanne stießen.
    Sie drehte sich um und richtete sich auf. Auf Knien kroch sie zur Wanne und riss den Duschvorhang beiseite.
    Braces toter, verstümmelter Körper lag nicht in der Wanne.
    Die Wanne war blitzsauber – nur der Boden schien feucht zu sein.
    Wo ist er?
    Ihm geht’s gut, dachte sie.
    Mog hatte sie nicht gefunden.

    Scheiße, glaubst du das wirklich?
    Schluchzend hielt sie sich am Rand der Badewanne fest, hob das rechte Knie und stellte einen Fuß auf die rutschigen Fliesen. Irgendetwas knisterte, als ihr Oberschenkel den Verband um ihren Bauch berührte.
    Was ist das?
    Papier?
    Sie setzte sich auf das kühle Email der Badewanne. Das blutverschmierte T-Shirt klebte an ihrem Rücken. Sie zog es aus und warf es in die Wanne.
    Braces Taschentuch, der improvisierte Verband, war mit Heftpflastern quer über ihren Bauch geklebt. Sie löste ihn mit den Fingernägeln ab.
    Unter dem Verband kam ein langer, weißer Umschlag zum Vorschein, der ihr in den Schoß fiel.
    Ihr Name stand auf dem Umschlag.
    Sie riss ihn auf.
    In die übliche Nachricht war etwas eingefaltet. Kein Geld. Etwas Blutverschmiertes.
    Ohne Zweifel irgendetwas Grässliches. Aber ein Körperteil hatte sie nicht erwartet.
    Aus dem Papier fiel ein Ohr.
    Kreischend presste sie die Schenkel zusammen. Sie wollte nicht, dass es auf den Boden fiel. Die Fliesen waren blutverschmiert und dreckig, und es war Braces Ohr – zumindest vermutete sie das.
    Es landete auf ihrem schwarzen Höschen und rutschte langsam auf ihren Oberschenkel.
    Sie hob es mit spitzen Fingern auf.
    Mit zitternden Händen wickelte sie es in Braces Taschentuch.
    Ein Kerl, der nichts mit Taschentüchern anfangen kann.
Das hatte sich jetzt gründlich geändert.
    Schluchzend drückte sie das eingewickelte Ohr sanft an ihre Brust, stand auf und ging vorsichtig über die rutschigen Fliesen, bis sie den Teppich erreichte. Sie wusste, dass sie blutige Fußabdrücke hinterließ, aber es war ihr egal.
    Sie eilte zum Tisch und wollte Braces Ohr in ihre Handtasche stecken.
    Ob das was bringt?, fragte sie sich.
    Scheiße. Wegwerfen werde ich es ganz bestimmt nicht.
    Vielleicht konnte man es wieder annähen.
    Sie musste es kühlen.
    Der Eiskübel stand am anderen Ende des Raums. Als sie dort hinrannte, bemerkte sie ihr tränenverschmiertes Spiegelbild. Sie sah aus wie eine Wahnsinnige: Ihr Haar war nass und verfilzt, aus irren Augen strömten Tränen über ihr Gesicht, und unter ihren wippenden Brüsten waren die Schlitze zu erkennen, die das Wort GEHORCHE bildeten.
    Das Eis war geschmolzen. Jane steckte einen Finger in das Wasser. Es war kühl, aber nicht mehr eiskalt. Sie schüttete das Wasser weg.
    »Ich brauche Eis«, schluchzte sie. »Ich …«
    Als sie in ihren Morgenmantel schlüpfte, den Zimmerschlüssel suchte und mit dem Ohr im Plastikeimer barfuß in die Nacht hinausrannte – vorbei

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