Das Spiel - Laymon, R: Spiel
noch darauf, dass du mir dein Wort gibst.«
»Ich verspreche es«, sagte er.
»Du versprichst was?«
»Dass ich mich heute Nacht raushalten werde. Ich werde dein Haus nicht verlassen. Ist das in Ordnung?«
»Sehr gut.«
Sie küsste ihn lange und heftig auf den Mund, dann
entzog sie sich seiner Umarmung. Sie tupfte sich mit dem Ärmel die Lippen ab und sah auf die Uhr. »Ich muss jetzt los.«
Brace sah ebenfalls auf die Uhr. »Du hast doch mindestens noch eine Viertelstunde Zeit.«
»Je eher ich dort bin, desto eher bin ich auch wieder zurück.«
»Und was ist mit den Spielregeln? Um Mitternacht, hat er gesagt.«
»Wir waren letzte Nacht auch zu früh dran, und er hat sich nicht beschwert. Auf ein paar Minuten kommt es ihm wahrscheinlich nicht an.«
»Wahrscheinlich nicht.«
Sie stieg von Braces Beinen und zog ihn vom Sofa hoch. »Komm. Bis zum Auto kannst du mich begleiten.«
9
Auf dem Weg zur Mill Creek Bridge bemerkte Jane ein Auto im Rückspiegel. Sie fragte sich, ob Brace sein Versprechen gebrochen hatte. Dann bog das Auto ab, und sie befand sich allein auf der Straße.
In der Nähe der Brücke parkte sie unter einer Straßenlaterne – genau an demselben Ort, an dem Brace sie gestern Nacht aufgelesen hatte.
Sie nahm Braces Taschenlampe aus der Handtasche, zog den Zündschlüssel ab, stieg aus und ging zur Brücke. Die Autoschlüssel steckte sie in die Vordertasche ihrer Jeans.
Die Jeans waren bequem und so weit, dass es ihr sogar gelang, die etwa dreißig Zentimeter lange Taschenlampe aus geriffeltem Stahl in der anderen Vordertasche unterzubringen.
Bei jedem Schritt stieß die Lampe gegen ihr rechtes Bein und zog die Hose nach unten. Jane blieb stehen, griff unter ihr Hemd und zog den Gürtel enger.
Das war besser.
Sie ging bis zur Mitte der Brücke und lehnte sich gegen das Geländer. Der Fluss unter ihr, die Felsen und das Gestrüpp am Ufer waren kaum zu erkennen. Sie erinnerte sich, dass auf der anderen Seite der Brücke ein Pfad durch ein Wäldchen zum Wasser hinunterführte. An ihrem ersten freien Tag, als sie sich die Stadt angesehen hatte, war sie dort langgegangen.
Der Pfad war eine ihrer ersten Entdeckungen an diesem Tag gewesen. Sie hatte ihn frühmorgens von der Brücke aus gesehen und ihn sofort hinuntergehen wollen.
Nichts verlockt einen so sehr wie ein unbekannter Pfad, dachte sie.
Sie war ihm bis unter die Brücke gefolgt. Das Wasser hatte im Sonnenlicht geglänzt, als es sich seinen Weg über tote Äste und grauen Fels gebahnt hatte. Unter der Brücke selbst war es dunkel und kühl gewesen.
Jane hatte sich ein paar Schritte in die Finsternis vorgewagt. Die Luft war kühl und frisch gewesen. Dann hatte sie etwas Großes, Dunkles am Fuß einer der Betonsäulen der Brücke entdeckt.
Zuerst hatte sie es für einen Busch gehalten, doch es war ein in dreckige Lumpen gehüllter Mann gewesen, der mit dem Rücken zur Säule gesessen hatte. Er hatte die Knie angezogen, die Hände darum geschlungen und in Janes Richtung gesehen. Ein wildes Gestrüpp aus verfilztem Haar und ungezähmtem Bart hatte seinen Kopf bedeckt. Er hatte ausgesehen, als hätte er überhaupt kein Gesicht.
Schockiert hatte ihn Jane für ein paar Sekunden angestarrt, dann hatte sie kehrtgemacht und war den Abhang hinaufgeeilt.
Sie war danach oft zum Mill Creek zurückgekehrt und hatte stundenlang am Ufer gesessen. Ein paarmal hatte sie es sogar gewagt, unter die Brücke zu sehen, aber seit diesem Morgen nie wieder jemanden dort bemerkt. Trotzdem war sie nicht wieder dort hinuntergegangen.
Jane stieß sich vom Geländer ab und überquerte die Brücke.
Soll ich wirklich ganz allein da runtergehen? Noch dazu mitten in der Nacht?
Diese Vorstellung verursachte ihr großes Unbehagen.
Es geht um vierhundert Dollar, überlegte sie. Wenn Mog sein Muster beibehält. Dafür muss ich eine ganze Woche lang in der Bibliothek arbeiten.
Hoffentlich ist der gruselige Typ nicht da unten.
Der Brückentroll.
»Niemand da, nur wir Hühnchen«, flüsterte sie. »Gack-gack-gack. «
Sie grinste und schüttelte den Kopf.
Super, dachte sie. Ganz toll. Ich kann nicht glauben, dass ich mich vor Brace so kindisch aufgeführt habe. Ich kann von Glück reden, dass ihm nicht schlecht geworden ist.
Sie stellte sich vor, wie er in ihrem Wohnzimmer saß, »Ein Mann kam nach New York« aufgeschlagen in seinem Schoß.
Wie gern wäre ich jetzt bei ihm.
Ich hoffe nur, er ist auch wirklich dort. Wehe, wenn er sein Versprechen bricht
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