Das Spiel - Laymon, R: Spiel
ihrer linken Hand fuhr sie in den dichten Bart und suchte seine Lippen. Sie waren leicht geöffnet. Jane drückte den Mund noch weiter auf, steckte zwei Finger tief hinein und konnte seine Zähne und das glitschige Fleisch seiner Zunge spüren.
Wenn er mir was vorspielt und zubeißt …
Seine Luftröhre war jedenfalls nicht verstopft.
Sie zog die Finger wieder heraus und wischte sie an seinem Mantel ab. Dann suchte sie durch das verfilzte Haar nach seiner Halsschlagader und spürte den Puls.
Gott sei Dank habe ich ihn nicht umgebracht.
Aber er atmet nicht.
Sie bog seinen Kopf zurück, hielt ihm die Nase zu und öffnete seinen Mund.
Bin ich eigentlich vollkommen verrückt? Der Kerl wollte mich vergewaltigen. Vielleicht hätte er mich sogar umgebracht. Und jetzt rette ich ihm das Leben?
Es sah jedenfalls ganz danach aus.
Sie atmete tief ein, bedeckte seinen Mund mit ihren Lippen und presste die Luft hinein. Als sie den Mund wegzog, strömte sie wieder aus ihm heraus.
Sie versuchte es wieder.
Und wieder.
Und wieder.
Jetzt komm schon. Wenn du mir hier wegstirbst …
Wo ist überhaupt dein Freund Swimp? Ist weggerannt und hat dich alleingelassen. Ein toller Kumpel.
Wieder blies sie Luft in seine Lungen.
Dann übergab er sich. Es passierte so schnell, dass Jane keine Zeit mehr blieb, den Mund wegzuziehen. Es klang wie das gedämpfte Bellen eines Hundes. Mit einem Rülpsen schoss ein Strahl Kotze hervor.
Direkt in ihren Mund.
Sie schreckte zurück. Seine sauren Magensäfte strömten aus ihr heraus. Sie spuckte und spuckte. Sie würgte. Während Rale hinter ihr zu husten begann, rannte sie zum Fluss und spülte sich im knietiefen Wasser gründlich den Mund aus.
Als sie sich wieder umdrehte, war Rale auf allen vieren, hustete und keuchte.
Rale wandte den Kopf und blickte über seine Schulter.
»Keine Bewegung!«, befahl Jane. »Bleib, wo du bist!«
Er blieb, wo er war, hustete und beobachtete Jane, die ihre Taschenlampe aufhob. Damit fühlte sie sich sicherer. Sie drohte ihm damit. »Rühr dich nicht von der Stelle.«
Sie beugte sich hinunter und hob Mogs Nachricht auf. Habe ich alles? Nichts vergessen?
Zumindest hatte sie die Hälfte des Geldes. Und die Nachricht. Das war das Wichtigste.
Wirklich?, fragte sie sich. Vielleicht ist es noch wichtiger,
dass ich niemanden umgebracht habe. Und dass mich niemand umgebracht hat.
»Keine Bewegung«, sagte sie noch einmal. Während sie vom Fluss weg zum Abhang zurückging, ließ sie Rale nicht aus den Augen. Dann drehte sie sich um und stieg hinauf. Nach ein paar Schritten sah sie über die Schulter.
»Bleiben Sie …«
Er war verschwunden.
Der Schreck raubte ihr den Atem.
Mit der Taschenlampe in der einen und Mogs Nachricht in der anderen Hand kletterte sie die steile, glitschige Böschung hinauf. Auf halbem Wege fiel sie hin und rutschte auf Ellbogen und Knien mit einem ängstlichen Wimmern ein Stück hinunter. Es gelang ihr, wieder Tritt zu fassen. Dann, endlich, erreichte sie das Ende des Abhangs.
Sie rannte so schnell sie konnte zum Auto.
11
Jane blieb vor der Haustür stehen. In der einen Hand hielt sie Mogs Brief, mit der anderen zog sie sich die schlammverkrusteten Schuhe aus. Als sie sich hinunterbeugte, um sie neben den Fußabtreter zu stellen, öffnete Brace die Tür.
Es kostete sie große Anstrengung, ihm ein Lächeln zu schenken.
»Was ist passiert?«, fragte Brace.
Sie war zu müde, um zu antworten, und schüttelte nur den Kopf.
Brace wollte ihr helfen, aber sie lehnte ab. »Fass mich lieber nicht an, sonst machst du dich schmutzig. Nimm das hier.« Sie streckte ihm Mogs Brief hin.
»Du hast ihn gefunden«, sagte er. »Ist alles in Ordnung?«
»Ich weiß nicht so recht.« Sie ging an ihm vorbei ins Haus.
»Bist du verletzt?«
»Nein. Ich fühle mich nur irgendwie … eklig. Außerdem bin ich todmüde.« Als sie in den Flur ging, sah sie ihn über die Schulter hinweg an. »Bleibst du noch ein bisschen? Ich muss schnell duschen und mich umziehen, okay?«
»Klar.«
»Danke. Und dann erzähl ich dir alles …« Sie verstummte und drehte sich um. »Jetzt brauch ich erst mal was zu trinken. «
»Was willst du denn? Ich hol dir was.«
»Jim Beam. Steht auf dem Küchenregal neben dem Kühlschrank. Und ein Glas. Nimm dir auch einen, wenn du willst.«
»Mit Eis?«
Jane schloss die Augen und schüttelte den Kopf.
»Bin gleich wieder da«, sagte Brace.
»Ich muss aufs Klo«, murmelte Jane hinter ihm her und taumelte ins Badezimmer.
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