Das Spiel - Laymon, R: Spiel
der Nachricht hatte sie Angst. Und vor dem Geschenkpaket. Vielleicht war jemand im Haus und schlich sich in diesem Moment an sie heran.
Mit zitternden Händen las sie die Nachricht.
Liebste,
ich glaube, ich habe mich verliebt. Nicht nur, dass du wunderschön anzusehen bist, nein – ach, dein Mut bezaubert mich. Das Geschenk ist für dich. Öffne es ruhig. Du wirst es nicht bereuen.
Tausend Küsse,
MOG
21
Jane beugte sich über den Sarg, legte das Messer auf den Satinbezug, riss die Schleife und das schillernde Papier vom Geschenkkarton und ließ beides zu Boden fallen. Dann öffnete sie die Schachtel.
In ihr befanden sich eine Küchenuhr, ein Negligé und eine Nachricht, die an der Uhr befestigt war.
Liebling,
du musstest heute Nacht lang und schwer arbeiten. Jetzt hast du dir eine Ruhepause verdient.
Schlüpf doch in diesen kleinen Hauch von Nichts, stell den Wecker auf eine halbe Stunde ein und mach es dir auf dem Satin bequem.
Wenn die Uhr läutet, darfst du wieder aufstehen. Dann bekommst du deine Belohnung und bist für heute entlassen.
Dein Meister,
MOG
Jane las den Brief dreimal durch.
Das kann nicht sein Ernst sein, dachte sie.
Sie zitterte am ganzen Körper. Ihr Kopf pulsierte schmerzhaft. In ihren Eingeweiden spürte sie ein seltsam summendes Gefühl, als wäre sie an eine schwache Stromleitung angeschlossen.
Jane legte den Wecker in den Sarg und ließ die Schachtel zu Boden fallen. Mit Daumen und Zeigefinger hielt sie sich das Negligé an einem seiner seidenen Träger vor den Körper. Es würde ihr wohl gerade bis zu den Oberschenkeln reichen.
Die Taschenlampe schien durch den hauchdünnen, roten Stoff.
Ein Hauch von Nichts?
Er will wirklich, dass ich es anziehe und mich eine halbe Stunde lang in den Sarg lege.
»Mann«, flüsterte sie. »Da hat er sich aber die Falsche ausgesucht.« Dann hob sie die Stimme: »Du bist völlig durchgeknallt.«
Keine Antwort.
Sie hatte auch keine erwartet.
Mog antwortete ja nie.
Aber er musste hier irgendwo sein. Er hatte ihr eine Belohnung versprochen, wenn sie seine Befehle befolgte. Irgendwie musste er die ja hierherschaffen. Und woher wollte er wissen, dass sie seine Anweisungen befolgte, wenn er sie nicht beobachten konnte?
Warum sollte ich mich sonst ausziehen?
Er muss mich sehen können. Vielleicht durch ein Loch in der Wand oder so ähnlich.
Ein Spanner, der ihr sechstausendvierhundert Dollar zahlen wollte.
Im Dunkeln kann er nicht spannen, dachte sie. Wenn ich die Taschenlampe ausmache, sieht er nichts.
Außerdem hatte er sie schon einmal nackt gesehen. Als er ihr den Brief in den Bademantel gesteckt hatte, hatte sie unter der Dusche gestanden. Und wer weiß, wie oft er sie noch heimlich beobachtet hatte?
Er kommt und geht, als wäre er unsichtbar.
Vielleicht ist er wirklich unsichtbar, dachte sie. Das würde einiges erklären.
Ist Mog ein Geist?
»Ein reicher Geist«, flüsterte sie. »Mit einer Neigung zum Voyeurismus.«
Er macht mich reich, rief sie sich ins Bewusstsein. Wenn ich jetzt nicht tue, was er sagt, könnte alles vorbei sein. Soll ich wirklich sechstausendvierhundert Dollar für ein bisschen Anstand opfern – zukünftige Gewinne nicht eingerechnet?
Außerdem wäre es nicht das erste Mal, dass er mich nackt sieht.
Er war in ihrem Haus – anscheinend konnte er überall hingelangen, ob unsichtbar oder nicht.
Ich kann es, dachte sie. Es ist keine große Sache.
Und der Sarg?
Das schaffe ich auch. Ich schaffe alles. Es ist nur eine Frage der Einstellung.
Im Schein der Taschenlampe untersuchte sie ausführlich den Sarg. Keine Anzeichen von Dreck oder Ungeziefer. Er war blitzsauber.
Sie fragte sich, wie sich der Satin wohl auf ihrer Haut anfühlen würde. Wahrscheinlich kalt und glatt.
Eigentlich hatte sie sich schon immer mal Satinbettwäsche kaufen wollen …
Aber das hier war kein Bett.
Wirklich nicht? Sonst sind hier keine Möbel, und das ist immerhin das Schlafzimmer.
Ob Mog in dem Sarg schlief? Wie ein Vampir?
Vielleicht war er ein Vampir.
»Quatsch«, flüsterte sie.
Und selbst wenn er da drin schlief, war es seine Sache. Der Sarg sah sauber aus. Sauber genug jedenfalls.
Sie zog die Schuhe aus und stellte sich in den Sarg. Dann schaltete sie die Taschenlampe aus und legte sie neben ihren Füßen ab. Sie sah an sich herunter. Alles, was sie sehen konnte, waren verschwommene Grautöne.
Es war jetzt ziemlich dunkel. Bei diesen Lichtverhältnissen hätte sie splitterfasernackt durch
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