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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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der Ecke sind die Möbel und Rohre noch höher gestapelt als vorher. Es ist nicht schwer, Vivs Gedanken zu erraten. In ein gefährliches Viertel sollte man sich nicht allein vorwagen.
    »Ich glaube nicht, daß wir hier richtig sind«, sagt sie.
    »Genau das ist der Hintergedanke.«
    Sie hält das für eine schlagfertige Replik, ist es aber nicht.
    Ich gehe an einem halben Dutzend Türen vorbei. Die meisten sind beschildert, wie neunzig Prozent aller Türen des Capitols. Es steht drauf, was drin ist. Umspannstation, Aktuelle Gesetzessammlung. Auf einer steht sogar: Raucherzone. Nur eine ist nicht gekennzeichnet. Ich gehe geradewegs dorthin. Raum ST-56, eine kahle, unauffällige Tür auf der linken Seite.
    »Das ist sie?« fragt Viv. »Sieht aus wie ein Besenschrank.«
    »Meinst du?« Ich ziehe einen Schlüsselbund aus meiner Tasche. »Wie viele Besenkammern haben deiner Meinung nach ein doppeltes Zylinderschloß?«
    Ich schließe auf und drehe den Türknauf. Die Tür ist schwerer, als sie aussieht. Um sie aufzuschieben, muß ich mich mit der Schulter dagegen stemmen. Dann betätige ich den Lichtschalter, damit Viv sieht, was dahinter liegt.
    Als erstes fällt die Decke auf. Nach dem Limbotanz, den die Rohrleitungen der Klimaanlage im niedrigen Flur einem aufzwingen, erhebt sich die Decke dieses langen, geräumigen Raumes fast sieben Meter in die Höhe. Vor den burgunderroten Wänden steht eine schokoladenbraune Couch, daneben zwei Mahagonikommoden. Über der Couch befindet sich eine Sammlung antiker Spielzeugsegelboote an der Wand. Die Atmosphäre eines Männerclubs wird von einem drei Meter langen Fisch an der linken Wand verstärkt. Einer Golftasche lehnt hinter der Tür, und an der rechten Wand befindet sich eine enorme Seekarte von 1898. Sie zeigt die Atlantikküste von der Chesapeake Bay bis zum Jupiter Inlet.
    Viv sieht sich dreißig Sekunden lang in dem Raum um. »Ein Versteck?« fragt sie schließlich.
    Ich nicke und grinse.
    Einige Leute behaupten, es gäbe keine Geheimnisse mehr in Washington. Diese Bemerkung macht sich gut als Zitat, aber sie stammt eindeutig von jemandem, der keine Ahnung hat.
    Auf der Hühnerleiter der Macht haben sich einige Mitglieder des Kongresses den Vorsitz über wichtige Ausschüsse erkämpft, andere großzügige Büros für ihre Mitarbeiter, einige Auserlesene bevorzugten Parkraum vor dem Capitol. Nur die Creme bekommt Fahrer, damit sie besonders wichtig wirken. Und dann sind da noch die, welche ein Versteck haben.
    Es sind die bestgehüteten Geheimnisse im Capitol. Private Zufluchtsorte für Senatoren, wenn sie vor ihren Leuten, den Lobbyisten und den gefürchteten Touristengruppen fliehen möchten, die sich auf sie stürzen und nur schnell ein Foto haben wollen. Selbst der Architekt des Capitols, der das ganze Gebäude beaufsichtigt, hat keine vollständige Liste, wer welchen Raum bewohnt. Die meisten sind nicht einmal in die Etagenpläne eingetragen. Genau so schätzen die Senatoren es.
    »Wofür benutzt Stevens den Raum?« erkundigt sich Viv.
    Ich deute auf den runden Lichtschalter an der Wand.
    »Ein Dimmer?« Viv zählt drei und drei zusammen und verzieht angewidert das Gesicht.
    »Er hat ihn in der ersten Woche installieren lassen. Offenbar ist das eine sehr beliebte Option. Sie kommt unmittelbar nach Panzerglas und Servobremsen.«
    Sie merkt, daß ich sie beruhigen will, was sie allerdings nur noch nervöser macht.
    »Woher weißt du, daß der Senator nicht gleich zur Tür hereinspaziert?«
    »Er benutzt diesen Raum nicht mehr, seit er das Kaminzimmer hat.«
    »Er hat mehr als ein Versteck?«
    »Glaubst du etwa, daß so etwas fair verteilt wird? Als Lyndon B. Johnson der Führer der Senatsmehrheit war, standen ihm sieben Räume zur Verfügung. Der hier ist überzählig. Stevens würde nie ...«
    Mein Blick fällt auf den handgeschnitzten Couchtisch, auf dem ein Schlüsselring mit einem mir bekannten Anhänger liegt.
    Die Toilettenspülung rauscht. Viv und ich wirbeln zum Badezimmer herum. Unter dem Türschlitz scheint Licht hindurch. Dann erlischt es. Bevor einer von uns beiden weglaufen kann, wird die Badezimmertür geöffnet.
    »Nun mach nicht so ein überraschtes Gesicht«, begrüßt mich Lowell. »Möchtest du nicht erfahren, in was du da hineingeraten bist?«

72. KAPITEL
    »Was machst du hier?« Meine Stimme dröhnt durch den Raum.
    »Immer mit der Ruhe«, sagt Viv.
    »Hör auf sie!« Lowell bemüht sich, die Situation herunterzuspielen. »Ich bin nicht hier, um dir

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