Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)
Unterstützung?«
»Hitler? Er macht mich vollkommen irre und macht mir das Leben noch schwerer. Hast du das Drama um unsere Partei nicht verfolgt?«
»Tut mir leid, aber ich bin über die politischen Vorgänge nicht mehr auf dem Laufenden. Ich werde noch immer von den neuen Entwicklungen in meinem Fachgebiet in Anspruch genommen und auch von den vielen Patienten, die mich aufsuchen – fast alles Ex-Soldaten. Abgesehen davon ist es am besten, wenn ich alles aus deiner Perspektive höre.«
»Dann werde ich dir eine Zusammenfassung geben. Wie du wahrscheinlich weißt, haben wir die Führer der bayerischen Regierung 1923 davon zu überzeugen versucht, sich uns auf einem Marsch nach Berlin anzuschließen, den wir uns von Mussolinis Marsch auf Rom abschauen wollten. Aber unser Putsch war ein absolutes Fiasko. Alle sind der Meinung, dass es nicht schlimmer hätte kommen können. Er war schlecht geplant und schlecht ausgeführt und fiel schon beim ersten Anzeichen von Widerstand in sich zusammen. Als Hitler mir diese Nachricht schrieb, versteckte er sich auf Putzi Hanfstaengls Dachboden und rechnete mit seiner sofortigen Festnahme und möglicher Ausweisung. Als Frau Hanfstaengl mir die Nachricht überbrachte, erzählte sie mir, was passiert war. Drei Polizeiautos waren vor dem Haus vorgefahren. Hitler ist ausgerastet, hat mit seiner Pistole herumgefuchtelt und geschrien, dass er sich lieber erschießen wolle, als sich von diesen Schweinen verhaften zu lassen. Glücklicherweise hatte Frau Hanfstaengls Gatte ihr Jiu-Jitsu beigebracht, und so war Hitler mit seiner lädierten Schulter kein ernstzunehmender Gegner für sie. Frau Hanfstaengl entwand ihm die Pistole und warf sie in ein großes, 200-Kilo-Fass Mehl. Nachdem er mir schnell eine Nachricht aufgeschrieben hatte, marschierte Hitler kleinlaut ins Gefängnis. Alle dachten, dass seine Karriere damit beendet wäre. Hitler war erledigt – er war eine nationale Lachnummer. Wenigstens schien es so. Aber genau an seinem Tiefpunkt zeigte sich sein wahres Genie. Er verwandelte das Fiasko in pures Gold. Ich will ehrlich sein: Er hat mich wie ein Stück Scheiße behandelt. Ich bin am Boden zerstört über das, was er mir angetan hat, aber in diesem Moment trotzdem überzeugter denn je, dass er unser aller Schicksal in der Hand hat.«
»Erklär mir das, Alfred.«
»Seine große Stunde schlug während der Verhandlung. Dort plädierten alle anderen Putschteilnehmer kleinlaut auf nicht schuldig im Sinne der Anklage, die auf Hochverrat lautete. Ein paar bekamen milde Strafen – Hess zum Beispiel sieben Monate. Ein paar andere, wie der unantastbare General Ludendorff, wurden für nicht schuldig erklärt und sofort auf freien Fuß gesetzt. Nur ganz allein Hitler beharrte darauf, sich des Hochverrats schuldig gemacht zu haben, und beeindruckte die Richter, die Zuschauer, die Reporter aller wichtigen deutschen Zeitungen mit einer wunderbaren vierstündigen Rede. Es war sein größter Moment – ein Moment, der ihn für alle Deutschen zum Helden machte. Du hast doch bestimmt davon gehört?«
»Ja. Alle Zeitungen haben vom Prozess berichtet, aber ich habe die eigentliche Rede nie gelesen.«
»Im Gegensatz zu den anderen Schwächlingen, die auf nicht schuldig plädierten, beharrte er immer wieder auf seiner Schuld. ›Wenn‹, sagte er, ›der Umsturz dieser Regierung von Novemberverbrechern, die der tapferen deutschen Armee den Dolch in den Rücken gestoßen haben, Hochverrat ist, dann bin ich schuldig . Wenn der Wunsch, die ruhmreiche Majestät unserer deutschen Nation wiederherzustellen, Hochverrat ist, dann bin ich schuldig . Wenn der Wunsch, die Ehre der deutschen Armee wiederherzustellen, Hochverrat ist, dann bin ich schuldig .‹ Die Richter waren so ergriffen, dass sie ihm gratulierten, ihm die Hand schüttelten und ihn am liebsten freigesprochen hätten, aber das konnten sie nicht: Er ließ es sich nicht nehmen, sich des Hochverrats schuldig zu bekennen. Schließlich verurteilten sie ihn zu fünf Jahren Festungshaft in Landsberg, sicherten ihm aber eine vorzeitige Entlassung zu. Und so wurde er an einem außergewöhnlichen Nachmittag von einem Schmalspurpolitiker und einer Lachnummer plötzlich zu einer allgemein bewunderten, nationalen Figur.«
»Ja, ich habe festgestellt, dass sein Name inzwischen allen bekannt ist. Danke, dass du mich auf den neuesten Stand gebracht hast. Aber etwas geht mir nicht aus dem Kopf, und darauf möchte ich gern zurückkommen – dein harter
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