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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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weiß, dass er krank war und bald gestorben wäre. Ihn und Kinsky hatte in den letzten Jahren eine Art Freundschaft miteinander verbunden. Und aus dieser Sentimentalität heraus hat Kinksy wohl gemeint, er müsse dich einstellen.“
    „Und was ist mit dem Abschiedsbrief?“
    „Ich habe Kinsky gezwungen, ihn mir zu geben.“ Der Hofrat prustete. „Mir war natürlich klar, dass dein Vater dir die Wahrheit offenbaren würde. Er hatte Kinsky angefleht, sich um dich zu kümmern, Julius. Weil er wusste, dass es dir schlecht ging. Und Kinsky war so weich, dass er es getan hat. Aber der Abschiedsbrief wurde gefälscht, und Kinsky hat das Original vernichtet.
    Der Hofrat senkte den Kopf und seufzte.
    „Ich will dich nicht töten, Julius. Ich bin kein Mörder. Ich bin Händler. Und ich hadere damit, dass ich für den Erfolg dieses Geschäftes gewisse Zugeständnisse machen muss. Sei kein Dummkopf, Julius. Ich biete dir eine Menge Geld für deine Loyalität und Unterstützung.“
    „Was, wenn ich jetzt Ja sage?“, fragte Julius. „Und morgen zur Polizei gehe und alles verrate, was Sie mir gerade erzählt haben?“
    Das Gesicht des Hofrats verzog sich zu einer Maske der Aufmunterung. „Oh nein, das glaube ich nicht“, sagte er. „Du bist kein Verräter. Was hättest du davon?“ Schattenbach stieß ein ungläubiges Lachen aus. „Du machst dich zum Ehrenretter für einen abstrakten Begriff, Julius. Glaubst du etwa, dass du der Kunst etwas schuldig bist, he?“
    Der Hofrat stemmte die Fäuste in die Hüften. „Die Kunst, mein Freund, existiert auch ohne uns. Ein Gemälde von Rubens braucht uns Menschen nicht. Es braucht alle paar Jahre mal jemanden, der es abstaubt und restauriert, aber mehr nicht. Die Kunst braucht keinen kleinen Julius Pawalet, der sie beschützt und verteidigt! Mach dich nicht lächerlich.“
    „Hören Sie auf!“, schrie Julius den Hofrat an. „Diese Erklärungen kann niemand nachvollziehen außer Ihnen!“
    Er riss an den Handfesseln. Der Hofrat schwieg. Er schaute Julius eine Weile mit starren Augen an. Julius konnte förmlich sehen, wie hinter dessen Stirn die Möglichkeiten auf und ab spazierten.
    „Du schlägst mein Angebot also aus?“, fragte der Hofrat wie beiläufig.
    „Was für ein Angebot?“, schleuderte Julius ihm entgegen. „Sie haben mir kein Angebot gemacht, Schattenbach! Sie haben sich selbst eins gemacht. Und nein, ich habe keine Lust mitzuhelfen, Ihre Gier zu befriedigen!“
    Die Augen des Hofrats standen wie schlecht eingesetzte Glasmurmeln in der aufgeworfenen Wüste seines Gesichtes.
    „Dann muss es also sein“, murmelte er und klang dabei so, als täte es ihm tatsächlich ein wenig leid um Julius. „Aber ich kann dich beruhigen. Es wird nicht Kranzer sein, der dich beseitigt. Es gibt noch jemand anderen, der diesen Wunsch schon viel länger hat.“
    Damit drehte der Hofrat sich um und stapfte hinaus in den Schnee. Seine klobige Gestalt verschwamm mit der Dunkelheit hinter den Laternen. Für eine Weile war nur das Schauben der Pferde zu hören und das seltsam hohe Pfeifen des Windes, der durch Fallrohre und Baumwipfel irrte. Die Kälte fraß sich durch seinen dünnen Mantel wie Säure und legte sich eisenhart um seine Glieder.
    Eine Weile trieb er gleichgültig im erzwungenen, quälenden Warten, als auf einmal eine Gestalt auf ihn zukam. Und die schlagartige Woge von Hitze in seinem Innern fühlte sich an wie das Versprechen auf einen Ausweg. Doch dann begriff er, dass die Quelle dieses unverhofften Hitzeschubs nichts anderes war als der Tod, der ihn aus dunklen, hungrigen Augen anstarrte. Der Tod hatte seine schönste Agentin geschickt, und sie verstand es, Julius’ Widerstand zu brechen wie einen der Strohhalme, die auf dem Boden unter ihren Stiefelspitzen lagen.
    Er sank in einen süßen Strudel der Selbstaufgabe und fühlte eine neue, dunkle Lust durch seine Adern pulsieren. Todessehnsucht? Seine frühere halbherzige Gegenwehr war verschwunden, und Julius ging auf in einem Rausch aus Hingabe und Gleichgültigkeit. Dann bohrte sich Luises Stimme in sein Ohr. „Du ahnungsloser Dummkopf! Du glaubst wohl, ich bin gekommen, um dir eine Gutenachtgeschichte zu erzählen?“

III
    Jetzt, wo seine künstlerische Laufbahn zu Ende ging, konnte er sich ruhig die eine oder andere Unvorsichtigkeit erlauben. In ein paar Tagen würde man ihn gefasst haben. Der Besuch des scheinheiligen Inspektors, der sich als Notariatsgehilfe ausgegeben hatte, war der Vorbote seines Schicksals

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