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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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oder für ein Jahr regelmäßig hierher, mit Zeichenblock und Tusche oder mit Kohle und kopieren fleißig. Manchmal bringt auch einer ein paar Tuben Ölfarbe mit. Der Grimminger kommt, seit es das Museum gibt. Am ersten Tag der Eröffnung hat er vom Dr. Kinsky schon eine Lizenz ausgestellt bekommen, dass er hier jeden Tag arbeiten darf. Gegen ihn sind alle Kunststudenten von der Akademie Stümper. Der kann ein ganzes Jahr vor einer Miniatur zubringen, und am Ende kommt er mit einer Kopie, die niemand vom Original mehr unterscheiden kann. Er ist wohl ein Genie.“
    Pawalet schien nicht sehr beeindruckt zu sein. Im Gegenteil, er sah sogar ziemlich skeptisch aus, fand Kranzer.
    „Ich habe selbst gesehen, dass er ein meisterhafter Maler ist“, sagte der Neue. „Aber warum macht er das? Verkauft er die Bilder? Und ist es nicht verboten? Wer weiß, ob er sie nicht als Fälschungen verkauft.“
    Kranzer schüttelte den Kopf. „Haben S’ das Format gesehen, auf das er kopiert? Der Rubens ist um ein paar Quadratzentimeter größer. Nur wenn er das gleiche Format benutzen würde, wär’s eine Fälschung. Aber Dr. Kinsky segnet es jedes Mal ab, wenn Grimminger ein neues Gemälde kopiert. Er schaut sich die Leinwand an und misst sie höchstpersönlich ab.“
    Der Neue nickte stumm und ließ den Blick über die Gemälde ringsum schweifen. Kranzer sah, dass Otto Grimminger diesem ziemlich unheimlich war, und er konnte dieses Gefühl sogar verstehen. Ihm war es beim ersten Mal nicht anders ergangen. Es hatte ihn erschreckt, dass dieser Maler beim Arbeiten aussah wie ein Chirurg und dass er den Pinsel führte wie ein Skalpell. Aber Kinsky hatte Kranzer dazu angehalten, sich möglichst keine Gedanken um den Kopisten zu machen und ihn bloß nicht zu stören.
    „Und was für ein Verhältnis hatte mein Vater zu ihm?“, fragte Pawalet plötzlich. Kranzer räusperte sich. „Nun, Ihr Vater hat eigentlich nur darauf aufgepasst, dass niemand Grimminger belästigt. Manchmal hat er niemanden in den Saal gelassen, wenn Grimminger gerade an einem schwierigen Teil gearbeitet hat. Er hat die Leute von ihm ferngehalten und ihnen untersagt, ihn anzusprechen. Und manchmal hat er dem Grimminger etwas zu trinken gebracht. Er ist der Einzige, der hier im Saal etwas zu sich nehmen darf.“
    „Und von mir wird das auch erwartet, nehme ich an“, fragte Pawalet gleichmütig.
    Kranzer nickte und erhob sich eilig. Ihm war unangenehm heiß geworden in seiner Uniform. Wie der Zufall es wollte, begegnete ihnen bei diesem Rundgang noch eine zweite Person, in deren Nähe er sich eigentlich nicht aufhalten wollte. In deren Nähe er es nicht einmal alleine aushielt.
    „Guten Tag, Frau von Schattenbach“, grüßte er die Dame in Schwarz, die wie jeden Tag versunken durch die Säle schwebte, so lautlos wie eine herumwehende Daunenfeder. Eine Daunenfeder von einem schwarzen, seltenen, hinreißend schönen Vogel. Er tippte sich an den Hut und musterte Pawalet. Und schon wieder schien dieser merkwürdige Mensch innerlich zu versteinern. Er neigte kurz den Kopf, und seine Wangen wurden schlagartig rot. Seltsamerweise war auch die Reaktion der Dame keineswegs die übliche. Sie nickte kurz und unverbindlich, wobei das kühle Lächeln, das sie gerade aufgesetzt hatte, erlosch, als wären die beiden Männer unanständig gekleidet. Kranzer merkte sofort, dass ihre plötzliche Missbilligung dem Neuen galt. So schnell er konnte, schob er Pawalet in einen angrenzenden Saal.
    „Was haben S’ denn?“, fuhr er ihn an. „Sie können sich doch nicht so auffällig gebärden. Warum sind S’ denn so angespannt? Stimmt was nicht?“
    „Ich habe diese Dame gestern angerempelt“, murmelte der Neue. „Sie ist sogar gestürzt, und ich war so erschrocken, dass ich mich nicht mal entschuldigt habe. Das ist mir peinlich.“
    Kranzer atmete erleichtert aus. „Ja, das verstehe ich. Die würde ich auch gern einmal anrempeln …“
    „Wie kommt es, dass sie heute schon wieder hier ist?“, wollte Pawalet wissen.
    „Sie kommt fast jeden Tag hierher. Wie der Grimminger“, sagte Kranzer ausweichend. Wenn dieser Neue doch nur nicht so viele heikle Fragen stellen würde. Grimminger und von Schattenbach – sie beide waren zwar Stammgäste des Museums, aber nicht aus den Gründen, die Kranzer Pawalet erzählt hatte. Verdammt, dachte er, der Neue war so neugierig und so aufmerksam.
    „Sie sieht aus wie eine Witwe“, sagte Pawalet.
    „Ja, Pawalet“, sagte Kranzer. „Sie führt

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