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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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räusperte sich die Sprachlosigkeit aus der Kehle. „Nein … ich … ich bin nicht krank. Mir scheint, ich habe Sie in einem … ungünstigen Moment aufgesucht …“
    Sie lachte ein sorgloses, wegwerfendes Lachen. „Aber nein! Sie kommen gerade richtig! Was bringt Sie zu dieser Annahme?“
    „Ihr Aufzug. Ich habe Sie offensichtlich beim Baden gestört.“
    Sie machte ein gespielt peinlich berührtes Gesicht, dann lächelte sie breit und zeigte ihm ihre ebenmäßigen Zähne. „Seien Sie nicht so einfältig! Haben Sie etwa gedacht, eine Dame würde ewig in Korsett und Hut stecken? Ich bitte Sie – gönnen Sie mir ein wenig Bequemlichkeit!“ Sie winkte ihn zu dem prachtvollen Sofa hin. „Kommen Sie, setzen Sie sich. Colette wird uns eine Erfrischung bringen.“
    In diesem Moment erschien die schwarze Frau mit einem zweistöckigen Servierwagen in der Tür. Auf dem ersten Tablett des Wagens befanden sich verschiedene Flaschen, Gläser, Tassen und eine dampfende Teekanne. Oben stand ein Teller mit aufgeschnittenen Früchten, die mit Gebäck und Konfekt verschwenderisch garniert waren, dass Julius sich fragte, wer das alles essen sollte, außer die Gäste eines Kindergeburtstags.
    Neben ihm machte Luise ein genießerisches Geräusch, streckte die Hand aus und sagte: „Danke, Colette. Ich liebe es, wenn du diese verrückten amerikanischen Kunstwerke baust.“
    Colette lächelte ihre Herrin an und sagte: „Das hat keine Mühe gemacht.“
    Luise ergriff die Hand ihrer Dienerin, sah ihn an und sagte mit gespielter Besorgnis: „Sie hat Ihnen doch keinen Schrecken eingejagt, Julius?“
    Julius schüttelte den Kopf und begegnete den reglosen Augen der dunkelhäutigen Frau.
    „Aber Sie haben in Wien noch nie eine Frau wie sie zu Gesicht bekommen, nicht wahr?“
    Er verneinte abermals. Luise von Schattenbach drückte einen Kuss auf die Ebenholzhand der Frau und sagte: „Ich war vor drei Jahren in den Vereinigten Staaten. Die Dame, bei der ich zu Gast war, ist überraschend gestorben, und Colette, die damals ihre Bedienstete war, drohte arbeitslos zu werden. Können Sie sich vorstellen, was jemanden wie sie in Amerika für ein Leben erwartet? Sie wäre dort drüben nichts als ein zum Schuften geborener Untermensch. Und hier, sogar in unserem geliebten Wien, werden Menschen ihrer Rasse bisweilen im Kuriositätenkabinett ausgestellt wie exotische Tiere. Haben Sie das gewusst, Julius? Ich weiß nicht, was daran zivilisiert sein soll. Ich habe sie ohne Wissen meines Mannes auf demselben Schiff, auf dem wir gereist sind, hierhergebracht.“
    Luise von Schattenbach lächelte spitzbübisch, als freute sie sich über einen gelungenen Streich. Colette wirkte in dem großen Zimmer jedoch nur wie eine weitere außergewöhnliche Sehenswürdigkeit, und Julius konnte nicht umhin zu sagen: „Zweifellos macht sie sich sehr gut in der exotischen Welt, in der Sie hier leben.“ Es klang ironischer, als er es beabsichtigt hatte.
    „Es freut mich, dass Sie Ihre Kühnheit wiedererlangt haben“, flötete Luise. „Colette, du kannst gehen.“
    „Danke, Herrin“, sagte die Frau.
    „Hör auf, mich Herrin zu nennen! Ich hasse das!“
    „Ja, Herrin“, antwortete Colette und verschwand.
    Luise von Schattenbach schien für einen winzigen Augenblick verstimmt zu sein. Sie nahm ein Stück Apfel und biss ungehalten hinein und drehte sich dann mit ihrer unergründlichen Zuwendung wieder zu ihm um.
    „Warum sind Sie gekommen, Julius?“
    „Sie haben es mir mehr oder weniger befohlen.“
    „Wenn Sie das so verstehen wollen …“ Sie lächelte belustigt und goss aus einer hohen Flasche einen rötlichen Likör in zwei Gläser. Julius nahm eines und trank einen Schluck. Sofort legte sich ein Nebel über seine Gedanken.
    „Und was gedenken Sie jetzt zu tun, Julius?“
    „Das liegt ganz bei Ihnen. Sie haben anscheinend beschlossen, diesem Treffen eine unübersehbar provokante Note aufzudrücken. Na gut, Sie haben gewonnen – ich bin verwirrt und körperlich erregt. Was wollen Sie mehr?“ Julius erschrak ein wenig über seine Kühnheit. Vielleicht hatte die verwirrende Umgebung seine Schüchternheit fortgeblasen.
    Luise sah ihn erstaunt an. „Sie sind ein außergewöhnlicher Mann. Sie sind wie ein Einsiedlerkrebs. Man denkt von Ihnen, Sie würden sich andauernd verstecken und auf dem Meeresboden verschwinden. Und doch stecken Sie immer wieder Ihre Scheren heraus und werfen mit Sand. Das ist verblüffend.“
    „Das wissen Sie natürlich

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