Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien
zu.
„Nun, das ist ja nicht verboten …“, sagte er und lächelte Kinsky zu. „Diese Dame in Ihrem Bett ist allerdings der beste Beweis dafür, dass sie tatsächlich in einem besonderen Verhältnis zu den von Schattenbachs stehen. Zufälligerweise weiß ich nämlich, dass Luise von Schattenbach eine afrikanische Dienerin hat, und es würde mich doch sehr wundern, wenn diese Frau hier irgendeine beliebige schwarze Prostituierte wäre. Soweit ich weiß, gibt es in Wien nämlich nicht so viele schwarze Frauen.“
Insgeheim dankte der Inspektor Julius, dass der ihm von seinem intimen Besuch bei Luise erzählt und dabei erwähnt hatte, dass ihm dort Colette begegnet war. Er war sich plötzlich absolut sicher, dass nur sie es sein konnte, die dort in Kinskys Bett lag. Hatte Luise von Schattenbach die junge Frau als eine Art Lockmittel, Unterpfand oder Belohnung angeboten?
Lischka bewegte sich langsam in Richtung der Tür, die auf den Flur führte. Der Museumsdirektor stieß einen verärgerten Seufzer aus und eilte neben den Inspektor.
„Hören Sie, Inspektor Lischka, es ist ja wohl meine Sache, wen ich in meinem Bett empfange. Sie werden damit doch nicht irgendwie Schindluder treiben, oder? Ich habe einen Ruf zu verlieren!“
Lischka blieb stehen. „So, Sie haben einen Ruf zu verlieren? Was für eine Art Ruf kann das sein? Der Kaiser, der Sie damals als Verantwortlichen für die Bestände des Kunsthistorischen Museums eingesetzt hat, hat sicher auch gedacht, dass Ihr Ruf tadellos ist. Stellen Sie sich vor, er wüsste, dass Sie einen Säufer und Verbrecher als Saaldiener eingestellt haben! Was würde der Kaiser wohl von Ihrem Ruf halten, wenn herauskäme, dass Joseph Pawalet seinerzeit sogar im Gefängnis gesessen hat? Wie würde es Franz Joseph wohl gefallen, wenn er wüsste, dass Sie einen Trinker auf der Straße aufgelesen haben und ihn auf die Habsburger-Schätze aufpassen lassen? Und wo wir schon einmal dabei sind – Sie und ich wissen, wen Joseph Pawalet damals töten wollte. Ich habe mir seine Akte ganz genau durchgelesen. Und wenn Sie mir noch einmal erzählen wollen, dass der alte Pawalet sich selbst umgebracht hat, dann werden Sie erleben, was Ihr guter Ruf wert ist!“
Der Museumsdirektor straffte sich.
„Sie haben keine Beweise gegen mich!“, presste er hervor.
Lischka zuckte unbekümmert die Schultern. „Das stimmt. Ich habe keine Beweise gegen Sie. Aber Sie wissen ja – die Zeit wird noch ein paar Tage auf Ihrer Seite sein. Und letztendlich werden Sie versuchen zu retten, was noch zu retten ist. Und dann werden Sie sich verraten. Das ist immer so. Also, husch zurück ins Bett zu Ihrem exotischen Abenteuer. Wer weiß, wie lange sie sich noch an einer Frau wärmen können. Im Gefängnis gibt es derlei Vergnügungen nämlich nicht. Ich finde übrigens selbst hinaus.“
***
Es war nicht die schneidende Kälte, die Julius innerlich erstarren ließ. Es waren Lischkas Worte, die sein Innerstes verhärteten. Ein Teil seiner Erinnerung versteinerte. Die schwarze Zofe im Bett von Kinsky? Und sie sollten eine Verfolgung aufnehmen?
„Mein Vater hat versucht, den Hofrat zu erstechen?!“, echote er, nachdem Lischka ihm mitgeteilt hatte, was in der Akte über Joseph Pawalet stand.
„Und warum erzählst du mir das jetzt erst?“
„Weil sich jetzt die Ereignisse so verdichtet haben, dass es mir angebracht schien, es dir zu sagen. Ich wusste freilich schon kurz nach dem Tod deines Vaters Bescheid. Und jetzt glaube ich allmählich auch zu wissen, warum er sterben musste. Allerdings, wenn ich davon ausgehe, dass der Hofrat die Finger im Spiel hat, werde ich stutzig, denn er war es, der deinen Vater damals aus dem Gefängnis geholt hat.“
„Nachdem er einen Mordanschlag auf ihn verübt hat?“
Lischka klappte den Mantelkragen hoch. Zweihundert Meter vor ihnen stapfte eine dunkle Gestalt mit Kapuze durch den Schnee. Es war Colette. Sie hatte eine Viertelstunde nach Lischka eilig das Haus verlassen und war in Richtung Innere Stadt gegangen. Der Inspektor und Julius folgten ihr unauffällig. Es würde ein weiter Weg durch die beißende Kälte werden.
„Es war im Dezember 1894“, begann Lischka.
„Moment mal. Genau in dieser Zeit ist er verschwunden. Kurz nach meinem 16. Geburtstag.“
„Dann hattest du also vor kurzem Geburtstag?“ Inspektor Lischka sah ihn überrascht an.
„Ja, letzte Woche, als ich im Krankenhaus lag. Steht das nicht in deinen Akten?“
„Vergiss nicht, dass es über dich
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