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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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Lischka hielt Luise das Riechsalz unter die Nase, und nach einer kleinen Weile begann ihr Brustkorb sich wieder zu heben und zu senken. Kurz darauf versuchte Luise, den Kopf wegzudrehen. Colette ergriff einen Fächer und fächelte ihrer Herrin die kühle Luft zu, die von oben hereindrang.
    „Und jetzt machen Sie einen sehr starken Kaffee … ähm, bitte“, trug Lischka der Dienerin auf.
    Colette eilte davon, und bald drang der Geruch nach Kaffee in den Salon.
    Julius überlegte, ob er eine dünne Decke, die auf dem Diwan lag, über Luises nackten Leib breiten sollte, doch er fühlte sich nicht imstande, ihr so nah zu kommen.
    Colette kam mit dem Kaffee zurück und stellte noch zwei Tassen für die beiden Männer auf ein Tischchen.
    Julius sah sich um. Er konnte nirgends Laudanum oder ein Opiumbehältnis entdecken. Allerdings entdeckte er andere Dinge in dem Salon, die ihn in eine eigenartige Verlegenheit brachten. Der große Vogelbauer, den er bei seinem einzigen Besuch hier verwundert betrachtet hatte, stand nun offen, und am Boden des Käfigs lag etwas, das aussah wie ein Stück Unterwäsche. Eine der großen Truhen stand offen, und es quollen so eigenartige Dinge hervor, dass Julius aufstand, um sich das Ganze aus der Nähe anzusehen. Da waren bündelweise Seile aus grobem Hanf, aber auch aus gedrehter Seide, dick wie Kordeln. Mehrere lange Schals und eine kleine hölzerne Kugel, an der zwei Ledergurte angebracht waren, die man mit einer Schnalle verschließen konnte. Zögernd ging er zu der nächsten Truhe, öffnete den Deckel und schaute hinein. Er spürte eine plötzliche Enge im Hals. Dort lagen einige mehrschwänzige Peitschen und Riemen, schmale lange Gerten, wie man sie zum Ausreiten mitnahm, und dünne Bambusstecken.
    Ganz allmählich fügten sich diese Gegenstände und das geheimnisvolle Auftreten Luises zu einem stimmigen Bild zusammen.
    Was war hier geschehen? Wen hatte Luise von Schattenbach empfangen, und wie war dieser Besuch eskaliert?
    Lischka hatte es geschafft, die Ohnmächtige aufzurichten und sie im Rücken mit einem Kissen zu stützen. Sie atmete schwer, und unter den halbgeschlossenen Lidern rollten ihre Augen. Colette massierte ihrer Herrin die Handgelenke, und der Inspektor hielt ihr die Tasse mit dem duftenden Kaffee unter die Nase. Das bittere Aroma schien Luise angenehm zu sein, sie atmete tief ein.
    „Sie braucht wahrscheinlich noch eine ganze Weile, bis sie das ganze Gift ausgeschieden hat“, sagte Lischka und überließ Luise der Obhut Colettes. Die Dienerin redete in einer fremden Sprache beruhigend auf ihre Herrin ein und massierte ihr die Handgelenke.
    „Woher wusstest du, wie man mit einer solchen Vergiftung umgeht?“, fragte Julius.
    „Während meiner Laufbahn als Polizeiagent hatte ich genug Gelegenheit, mich mit Opium und dessen Derivaten zu beschäftigen. Das Atemzentrum wird gelähmt, aber das Ammoniak im Riechsalz löst einen Atemreflex aus. So kommt wieder Sauerstoff in den Menschen. Und dann kann man nicht viel mehr tun, als starken Kaffee zu trinken. Irgendjemand muss der Frau Laudanum verabreicht haben. Und wenn sie nie Drogen nimmt, haut sie das um wie einen gefällten Baum.“
    „Meinst du, der Mörder hatte vor, Luise zu töten, oder wollte er, dass sie wieder aufwacht.“
    Lischka hob die Schultern in einer einzigen stummen Frage. „Nun, die Dame wird uns hoffentlich bald selbst ein paar Fragen beantworten können. Sie muss den Mörder gesehen haben. Ich nehme übrigens an, diese … diese Verkleidung ist wieder irgendein Zitat aus unserem Lieblingsmuseum?“
    Julius nickte. „Es passt wieder genau. Auf dem Bild ist eine schlafende Venus zu sehen, keine tote. Und Luise ist auch nicht tot. Sie hat nur … ein bisschen tief geschlafen.“
    Lischka lachte bitter. „Mir soll es recht sein, wenn der Mörder sich neuerdings darauf verlegt, niemanden mehr umzubringen.“
    „Und was sagst du zu diesen Utensilien hier?“ Julius zeigte auf die Peitschen und Seile. Nun schien Lischka tatsächlich in Verlegenheit zu geraten.
    „Das … nun, die Dame hat wohl etwas abseitige … Neigungen.“
    Er nahm eine kurze lederne Peitsche in die Hand und betrachtete sie wie ein ausgestopftes Tier, das zu Lebzeiten bissig und gefährlich gewesen war. Dann legte er sie schnell wieder weg. Julius stellte sich die Peitsche in Luises Hand vor und erschauerte. Das passte irgendwie … so gut zu ihr.
    In dem Raum lag der Duft nach einem schweren Parfum; ein dicker Strauß Rosen auf

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