Das Sterben in Wychwood
diese Welt, wenn sie sie einmal verlassen haben.»
«Wer hat ihn gesehen – was ist das für eine Geschichte?»
«Diese Dinge sind schwer festzustellen», sagte Luke. «Die Leute reden nicht offen heraus, es liegt sozusagen in der Luft.»
«Ja – ja, vermutlich.»
Luke wechselte geschickt das Thema.
«Der Richtige, an den man sich da wenden muss, ist der Arzt im Ort. Der hört bei den armen Leuten, die er behandelt, eine Menge. Alle Arten von Aberglauben und Zauber – Liebestränke und so was.»
«Da müssen Sie sich an Dr. Thomas wenden. Guter Kerl, Thomas, durchaus moderner Mensch. Nicht wie der arme, alte Humbleby.»
«Der war ein wenig reaktionär, nicht?»
«Furchtbar dickköpfig – klammerte sich an seine alten Ideen.»
«Sie hatten einen richtigen Krach mit ihm wegen der Wasserversorgung, nicht?» fragte Bridget.
Wieder breitete sich eine dunkle Röte über Abbots Gesicht. «Humbleby stand dem Fortschritt glatt entgegen», sagte er scharf. «Er sträubte sich gegen den Plan; wurde auch ziemlich grob, war nicht wählerisch in seinen Ausdrücken. Ich hätte ihn direkt verklagen können wegen der Dinge, die er mir sagte.»
Bridget murmelte: «Aber Anwälte bemühen nie das Gericht, was? Dazu sind sie zu klug.»
Abbot lachte unmäßig, sein Ärger verflog ebenso rasch, wie er gekommen war.
«Sehr gut, Miss Bridget! Und Sie haben nicht ganz unrecht. Wir, die dabei sind, wissen zuviel vom Gericht, ha, ha! Doch ich muss nun weiter. Besuchen Sie mich, wenn Sie glauben, ich kann Ihnen irgendwie helfen, Mr – äh – »
«Fitzwilliam», sagte Luke. «Danke, ich werde darauf zurückkommen.»
Als sie weitergingen, sagte Bridget:
«Ihre Methode ist, etwas zu behaupten und zu sehen, was es bewirkt.»
«Meine Methode», sagte Luke, «ist, mich nicht streng an die Wahrheit zu halten, meinen Sie das?»
«Genau.»
Ein wenig beunruhigt, zögerte er, was er als nächstes sagen sollte. Doch da hörte er schon Bridgets Stimme:
«Wenn Sie mehr über Amy Gibbs wissen wollen, kann ich Sie zu jemandem bringen, der Ihnen helfen könnte.»
«Zu wem?»
«Miss Waynflete, Amy arbeitete zuletzt für sie. Dort starb sie auch.»
«Ah – ja? – » Er war ein wenig verblüfft. «Ja, danke schön.»
«Sie wohnt gleich hier.»
Sie gingen über den Dorfplatz. Bridget deutete mit dem Kopf in die Richtung eines großen alten Hauses und sagte: «Das ist Wych Hall, jetzt eine Bibliothek.»
Neben dem großen stand ein kleines Gebäude, das dagegen wie ein Puppenhaus aussah. Seine Stufen waren blendend weiß, der Türklopfer glänzte, und die Gardinen waren schmuck und sauber.
Bridget stieß die Vorgartentür auf und näherte sich den Stufen; da öffnete sich die Haustür, und eine ältliche Dame kam heraus.
Sie entspricht, dachte Luke, vollkommen dem Bild der alten Jungfer vom Lande.
Ihre magere Gestalt steckte in einem Kostüm aus Tweed, zur grauen Seidenbluse trug sie eine einfache Brosche. Ihr Filzhut saß gerade auf dem wohlgeformten Kopf. Sie hatte ein freundliches Gesicht, und die Augen blickten entschieden intelligent durch den Kneifer. Sie erinnerte Luke an eine jener flinken schwarzen Ziegen, die man in Griechenland viel sieht; ihre Augen zeigten denselben leicht fragenden, erstaunten Blick.
«Guten Morgen, Miss Waynflete», sagte Bridget. «Das ist Mr Fitzwilliam.» Luke verbeugte sich. «Er schreibt ein Buch – über Todesfälle und Dorfbräuche und ähnliche Grauslichkeiten.»
«Ach nein», meinte Miss Waynflete, «wie interessant!» Und sie lächelte ihn freundlich aufmunternd an.
Sie erinnerte ihn an Miss Pinkerton.
«Ich dachte», fuhr Bridget fort, und wieder bemerkte er jenen unnatürlichen Ton in ihrer Stimme – «dass Sie ihm etwas über Amy erzählen könnten.»
«Oh», sagte Miss Waynflete, «über Amy. Ja. Über Amy Gibbs.»
Er bemerkte etwas Neues in ihrem Gesichtsausdruck, sie schien ihn nachdenklich-abschätzend zu betrachten. Dann, als habe sie einen Entschluss gefasst, ging sie ins Haus zurück.
«Kommen Sie doch herein», forderte sie auf. «Ich kann auch später ausgehen. Nein, nein», als Antwort auf einen Einwand von Luke. «Ich hatte wirklich nichts Dringendes vor, nur ganz unwichtige Besorgungen.»
Das kleine Wohnzimmer war sauber und gemütlich und roch schwach nach verbranntem Lavendel. Auf dem Kaminsims standen einige Meißner Porzellanschäfer und -schäferinnen und lächelten süß. Gerahmte Aquarelle und Stickmuster hingen an der Wand. Mehrere Fotografien, offenbar von
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