Das Sternenprogramm
ein
Suchprogramm auf, das Tausende von Agentenprogrammen nach dem
Uhrmacher forschen ließ. Unternehmen wollte er noch nichts;
bloß mal sehen, ob er das Ding finden konnte…
Als die ersten Treffer auf den Monitoren erschienen, meinte er
zunächst, er habe einen Fehler gemacht. Die Programme fanden
praktisch überall Hinweise auf die Wesenheit. Sprachen sie
vielleicht unmittelbar auf den Dissembler-Code an? Hatte er sie
zu allgemein gefasst?
Konzentriert machte er sich daran, seinen Verdacht zu
erhärten.
»Was ist?« Als Donovan aufsah, begegnete er
Bleibtreu-Fèvres Blick.
»Er hat sich repliziert!«, sagte Donovan.
»Er ist überall.«
Bleibtreu-Fèvre musterte ungläubig die Monitore.
»Die ganzen Lichtpunkte – das ist der
Uhrmacher?«
»Die ganzen Lichtpunkte«, antwortete Donovan
verbittert. »Und das ist längst noch nicht
alles.«
Die Störungen legten sich. Abgesehen von den sich
ausbreitenden Lichtpünktchen kehrte wieder Normalität
ein.
»Das muss im Netzverkehr sein«, meinte
Bleibtreu-Fèvre.
»Ja«, sagte Donovan. »Wir dürfen keine
Zeit mehr verlieren.«
Er gab den Startcode für die viralen Antigene ein,
für die in geschlossenen Systemen in aufeinanderfolgenden
Mikrosekunden-Generationen gezüchteten heimtückischen
Routinen, deren Aufgabe es war, die bösartige AI und ihre
Ableger in einzelne Bytes zu zerlegen. Kleine rote Funken, welche
die Ausbreitung der Antigene im globalen Netzwerk anzeigten,
schossen über die Displays.
Und dann erloschen sie einer nach dem anderen.
»Sieht so aus, als ob sie sich wehrten«, knurrte
Bleibtreu-Fèvre.
Donovan überlegte erneut, wie es wohl möglich war,
dass etwas, das wie ein aufgeschlagenes Buch für ihn war,
für jemand anderen so unverständlich sein konnte.
»Nein«, fauchte er. »Sie greifen nicht an,
sie stellen nicht einmal einen Kontakt her. Sie werden schon
vorher vernichtet.« Er schritt gedankenversunken im Raum
auf und ab. Seit er als professioneller Programmierer arbeitete,
hatte er sich noch nie so frustriert gefühlt.
»Verfluchter Mist!« Er fasste sich an den Kopf und
versuchte, sich zu beruhigen. »Dahinter kann unmöglich
die Uhrmacher-Wesenheit stecken – oder die Wesenheiten. Sie hatten noch keine Gelegenheit, Resistenz
zu entwickeln. Da muss etwas anderes sein, etwas, das mit meinen
Systemen und mit meinem Profil vertraut ist…«
»Melody Lawson«, sagte Bleibtreu-Fèvre.
Kaum dass er es ausgesprochen hatte, wusste Donovan auch schon,
dass er Recht hatte. Sie hatte für ihn gearbeitet, sie hatte
der Bewegung angehört, sie konnte auf jahrelange Erfahrung
zurückgreifen, wenn es darum ging, seine Angriffe
abzuwehren… und sie hatte seit Tagen Zugang zu seinen
Datenspeichern. Während er spezifisch auf Kohns Systeme
zugeschnittene Viren entwickelte, hatte sie ebensolche Viren
für seine Systeme programmiert!
Eigentlich konnte er es ihr nicht verdenken, dass sie die
Gelegenheit wahrgenommen hatte, sich für die Zeit nach dem
Notstand zu wappnen, da wieder Normalität einkehren
würde. Wie Bündnispartner im Krieg, die sich
gegenseitig ausspionierten.
»Damit kommen wir klar«, meinte er zu
Bleibtreu-Fèvre, als er ihm die Sachlage geschildert
hatte. »Wir bitten sie einfach, damit aufzuhören und
uns freie Hand zu lassen.« Er lachte unsicher. »Was
für eine Erleichterung – einen Moment lang dachte ich
schon, alles wäre aus.«
»Keineswegs.«
Melody Lawson funkelte das flimmernde Abbild Donovans an, der
anscheinend seine übliche Verunsicherungsmasche abzog, von
einem Monitor zum anderen zu springen versuchte und frustriert
darüber war, dass er in ihrem Kanal mit höchster
Sicherheitsstufe eingesperrt war wie ein Dämon in einem
Pentagramm. Das kleine Hologespenst schwenkte ein Streichholz,
dann kam eine Hand ins Bild und packte es bei der Schulter.
Donovan wandte sich ab, trat aus dem Bild und wurde nach kurzem,
leise vernehmbarem Streitgespräch von einer anderen Gestalt
ersetzt.
»Mrs. Lawson«, sagte Bleibtreu-Fèvre mit
öliger Stimme, die ihr ebenso stark zusetzte wie ein
über eine Schiefertafel kratzender Fingernagel, »ich
muss Sie wirklich bitten, sich das noch einmal zu überlegen.
Die Lage hat sich alarmierend verschlechtert. Meines Wissens sagt
Donovan die Wahrheit, das bitte ich Sie mir zu
glauben.«
»Ich zweifle nicht an Ihrer Aufrichtigkeit«,
entgegnete Mrs. Lawson. »Ich bezweifle lediglich Ihre
Auslegung.«
Ihre
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