Das Sternenprogramm
Tangs bedeckt war.
Die Bar, in der sie dem Alkohol nach Mohs Maßstäben
ausgesprochen maßvoll zugesprochen hatten, hatte sich im
Laufe des Abends mit der ganzen Restbevölkerung des Dorfes
gefüllt. Janis hatte ungläubig beobachtet, wie die
Dorfbewohner einen nach ihren Vorstellungen ruhigen,
maßvollen Abend in der Kneipe genossen – vier oder
fünf Liter Bier, unterstützt von ein paar
großzügigen Schluck Whisky –, dann machten sie
sich auf den Heimweg. Die Fahrzeuge (alle möglichen Arten,
angefangen von Sportwagen bis zu richtigen LKWs) wurden alle in
etwa auf die gleiche Weise gefahren.
Am Morgen hatte sie das Motorengeräusch geweckt: ein
niedertouriges Tuckern auf allen Straßen. Als sie nach dem
Frühstück ins Dorf hinuntergegangen waren, hatten sie
es verlassen vorgefunden; es herrschte dort eine unheimliche
Stille…
Ein von Schafen benutzter Trampelpfad führte durchs
lange, feuchte Gras und den Stechginster auf die Inselkuppe
hinauf, wo ein niedriges Backsteingebäude ohne Dach stand.
Als sie näher kamen, tauchte hinter der Mauer ein Kopf
hervor, dann zeigte sich eine junge Frau. Sie sah aus wie
vierzehn; dunkles Haar, helle Augen. Sie trug einen Overall der
ANR und hatte eine Waffe dabei, die zu groß für sie
schien: eine einen Meter lange Rakete an einer
Abschussvorrichtung mit Pistolengriff.
»Hallo«, sagte sie schüchtern. »Ihr
seid bestimmt die Computerleute.«
Moh lachte. »Frei nach dem Motto ›Was ich immer
schon wissen wollte‹.«
»Wissen ist gut«, sagte die junge Frau,
anscheinend erstaunt über seine Bemerkung.
»Was machst du da?«, fragte Janis.
»Luftabwehr«, antwortete das Mädchen.
Der festgetrampelte Boden innerhalb der Wände war mit
Schafköteln bedeckt; es gab einen Campingstuhl, ein Fernglas
und ein Dutzend weitere Raketen.
»Das ist ein alter Beobachtungsposten«,
erklärte das Mädchen. »Aus dem letzten Krieg, das
heißt…« – sie legte die Stirn in Falten
– »das heißt, aus dem vorletzten, aber ihr
wisst ja, wie die alten Leute sind.«
Moh nickte ernst. »Und du bist für die Luftabwehr
zuständig?«
»Ja.« Sie brachte die Abschussvorrichtung mit
erstaunlicher Geschwindigkeit in Position. »Die
Stealth-Jagdbomber: die fliegen langsam, sind in der Lage, das
Radar und die Instrumente auszutricksen und machen kaum
Lärm, aber sie sind nicht unsichtbar.« Sie
tätschelte die Raketenspitze. »Da steckt ein
Wärmesensor drin. Nach dem Start bleiben mir zwei Sekunden,
um in Deckung zu gehen, dann schaltet sich der Fusionsantrieb
ein. – Wumm.«
»Ja«, sagte Moh. »Wumm. Dann möchte man
lieber nicht in der Nähe sein. Und bleib in Deckung und lass
die Augen zu, bis du den Blitz gesehen hast.«
»Ach, das weiß ich doch«, entgegnete das
Mädchen. Sie trat von einem Bein aufs andere und schaute
alles Mögliche an, bloß nicht die Besucher.
»Wir sollten wohl mal wieder los«, meinte Moh.
»Alles Gute.«
Auf halbem Weg fragte Janis: »Wie soll sie denn
bloß den Blitz sehen, wenn sie die Augen geschlossen
hat?«
»Das Ding ist mit einem Streulaser-Sprengkopf
ausgestattet. Den sieht sie schon. Durch die geschlossenen
Lider.«
Mohs Handy piepste. Er lauschte und nickte. »Okay, ist
gut, bis dann.«
»Was gibt es?«
»MacLennan möchte mit uns sprechen. Er meint, es
habe sich etwas getan.«
In anderthalb Kilometern Entfernung setzte sich ein Humvee in
Bewegung.
Cat lag zusammengerollt auf der Seite und schlief. Ein Teil
ihrer Wachsamkeit, ihrer Klugheit, ihres typischen Ausdrucks
hatte sich auf Grund ihrer Entspanntheit verflüchtigt, so
dass sie wie eine wesentlich jüngere Person wirkte, die noch
keine Erfahrung hatte mit Sex und Gewalt. Jordan hatte sich auf
einen Ellbogen aufgestützt, betrachtete, geborgen in
zwischenmenschlicher Körperwärme, ihr Gesicht, den
Schwung ihrer Schulter, und atmete ganz sachte, damit er ihren
Atemrhythmus nicht störte.
Irgendetwas hatte sich bei ihm verändert – eine
Standlinie hatte sich mit dieser Befreiung, dieser Bindung
verlagert. Bis jetzt war er sich vorgekommen wie ein Mitreisender
der Menschheit, eher ein Sympathisant als ein vollwertiges
Mitglied. Jetzt, da die zwischen den Fugen der Fensterpanzerung
einfallenden morgendlichen Sonnenstrahlen millimeterweise
über die Decke krochen, hatte er noch immer die gleichen
Ansichten, nahm jedoch eine andere Haltung ein. Er war nach wie
vor Individualist, jedoch nicht mehr so
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