Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
Vom Netzwerk:
ein Hühnchen zu rupfen.«
    »Das stimmt«, meinte Janis. Sie verspürte
eine mörderische, barbarische, blutrünstige Freude.
»Ja. Das haben wir.«
     
    Zwei Tage später ergab sich eine Gelegenheit, und zwar in
einem Bürogebäude, dessen Fensterscheiben zwar alle
geborsten waren, dessen Stromversorgung und
Kommunikationseinrichtungen aber noch funktionierten.
Janis’ Einheit besetzte und bewachte es, und sobald ihre
Wache gegen Abend geendet hatte, stieg sie, anstatt sich
auszuruhen, ein paar Stockwerke höher. Glasscherben
knirschten auf den Fluren unter ihren Füßen, in dem
Büro mit den offenen Fenstern quietschte der nasse
Teppichboden. Schreibtische, Terminals, Modems, Ports.
Postkarten, Notizen, Familienholos und dumme Wahlsprüche auf
den Schreibtischen; widerlich grüner Schimmel, der aus
Kaffeetassen hervorwuchs. Irgendwo summte ein Kühlschrank,
der die Schlacht gegen den Verfall längst verloren hatte.
Sie steckte sich eine Zigarette an, um den Gestank zu
dämpfen, und breitete ihren Parka über einen
durchnässten Drehstuhl. Sie legte das Gewehr vor sich auf
den Schreibtisch, zog das Kabel hervor und steckte es ein.
Flackernde Interface-Interferenzen, dann wurde alles klar.
    Mohs Gesicht erschien in ihrer Brille, gezeichnet mit Linien
aus grauem Licht vor einem dunkleren Hintergrund.
    »Bereit?«
    »Ja.«
    »Das wird ganz schön unheimlich werden. Du brauchst
nicht mitzukommen.«
    »Ich will es sehen.«
    »Okay. Denk dran, dir kann nichts passieren. Dein
Bewusstsein ist nicht gefährdet.«
    Sie bleckte die Zähne in der Düsternis und fragte
sich, ob das Bewusstsein im Rechner sie wohl sehen konnte.
    Wahrscheinlich ja: am Schreibtischmonitor war eine kleine
Kameralinse montiert.
    »Ich verlasse mich auf dich, Gewehr.«
    »Okay. Los geht’s!«
    Es war, als wendete er sich ab, und sie folgte ihm.
Abgrundtiefe Orientierungslosigkeit: sie fielen, rannten
über Gänge, hinaus ins Freie, eine virtuelle Landschaft
aus felsigen Hügeln und Stadtvierteln mit lauter leeren
Fensterhöhlen. Sie bewegten sich wie ein
Stealth-Jagd-flugzeug, rasten durch den Schatten.
    Ein fürchterlich schmaler, erstickender, langgestreckter
Ort. Der Ausdruck Fettröhre kam ihr in den Sinn, ohne
dass sie ihn verstanden hatte. Die Mikrosekunden dehnten
sich.
    Und dann waren sie draußen – und in etwas anderem,
einem riesigen Ort wie das Innere eines Bewusstseins. Sie
bemühten sich, Barrieren zu durchbrechen, die Kontrolle zu
erlangen.
    Sie übernahmen die Kontrolle. Sie spürte es in ihren
Muskeln, als ob sie viele Gliedmaßen kontrollierte, und in
ihrem Geist, als ob sie mit vielen Augen sähe.
    Augen, die das Meer musterten, und andere Sinne, die mit
federleichten Fingern in den Raum hineinlangten, und Augen, die
durch Schotts hindurch in Korridore, Kajüten und
Kombüsen spähten.
    Und dann – sie konzentrierte sich, fokussierte und
kreiste ein – blickte sie in einen Kontrollraum voller
Monitore und Rechner, Server und Deckenschienen mit Kränen
und Robotarmen. Zwei Männer waren da, die neben den vielen
Geräten wie Zwerge wirkten. Einer der beiden – ihr
Blick zoomte erschreckend dicht an sein ahnungsloses,
fürchterliches Gesicht heran – war der weiße Man
in Black, der bei ihr im Labor gewesen war und sie in der
Raststätte angegriffen hatte. Hier war er also gelandet!
Nachdem seine Organisation zerstört, aufgelöst,
geächtet, zur Hölle und wieder zurück
befördert worden war, hatte er sich hier versteckt und
werkelte herum mit…
    Der zweite Mann im Raum war Donovan.
    Er blickte auf, als sich ein Kran ratternd in Bewegung setzte.
Bevor er einen Warnschrei ausstoßen konnte, passierte
es.
    Janis war unklar, ob sie dies veranlasst hatte, oder ob etwas
geschah, während sie entsetzt und frohlockend durch die
Augen eines anderen zuschaute.
    Der Kranausleger schwenkte herum. Der Manipulator packte den
Man in Black beim Schädel und hob ihn, einhergehend mit
einem kranenhaften Knirschen und dem Knacken der
Wirbelsäule, hoch und schleuderte ihn gegen eine
Monitorwand, deren Splitter auf ihn herabprasselten, als er aufs
Deck niederstürzte.
    Sie blickte in das Gesicht eines Mannes mit langem
weißem Haar und weißem Bart. In ein beinahe sanftes,
heiligenmäßiges, väterliches Gesicht, alt und
verhutzelt und zäh und beinahe schwer zu hassen. Er blickte
hektisch umher, und von allen Monitoren, die er sah – und
Janis ebenfalls – starrte ihn das

Weitere Kostenlose Bücher