Das stille Qi Gong nach Meister Zhi-Chang Li: Innere Übungen zur Stärkung der Lebensenergie (German Edition)
standen, geschützt in einem Container ständiger Führung – nicht mehr aufrechtzuerhalten sind und jeder erwachsen genug sein muss, um zu wissen, was er/sie tut.
Dessen nicht ganz sicher, warnt der Herausgeber der »Sechs Yogas des Naropa« unüberhörbar:
Der Übersetzer weist jegliche Verantwortung von sich gegenüber Lesern, die möglicherweise unbesonnen mit diesen Sechs Yogas herumexperimentieren. Allein diese Texte zu lesen, kann niemals einen lebendigen Guru ersetzen, von dem ein ernsthafter Bodhi-Sucher zuerst Initiation und Anleitung erhalten sollte, bevor er mit der tatsächlichen Praxis beginnen kann. [196]
Die Unterstützung durch einen Lehrer ist auch im Yi Qi Gong nötig, doch sind die Gefahren weniger groß, da diese Energiearbeit, anders als die tibetische, in einem wesentlich weniger subtilen Bereich ansetzt. Allgemein kann man sagen, dass der Stufenweg dieser Methode von einer grundlegenden Entspannung ausgeht, dann einen Ausgleich von Yin und Yang in den organischen Funktionskreisen (und damit auch in dem Bereich, aus dem die emotionalen Impulse genährt werden) herstellt, die vitale Kraft stärkt, pflegt und nährt, und erst dann, wenn diese Basis geschaffen ist, weitere Entwicklungen anstrebt; der Wasserhahn wird sozusagen langsam immer weiter aufgedreht, so dass das Aufsteigen zur »höheren Ordnungsebene« ein gradueller Prozess ist. In dieser Weise ist das Stille Qi Gong ebenso als Basis für spätere Meditationspraxis wie auch als Ergänzung zur bereits bestehenden Meditationspraxis geeignet.
Namkhai Norbu hält die Berücksichtigung der energetischen Verfassung im Zusammenhang mit Meditation für sehr wichtig:
Die Dzogchen-Lehre empfiehlt, den Energiehaushalt niemals zu strapazieren und sich seiner Grenzen unter den verschiedenen Umständen immer bewusst zu sein. Wenn wir uns manchmal nicht danach fühlen, uns hinzusetzen, um [Meditation] zu praktizieren, sollten wir nicht gegen uns ankämpfen. Der Grund könnte ein Energieproblem sein, von dem wir nichts wissen. In solchen Fällen ist es wichtig, sich zu entspannen und sich Raum zu geben, um den Fortschritt der Praxis nicht zu hemmen. Auch Probleme wie Einsamkeit, Depression, geistige Verwirrung usw. resultieren oft aus einer Diskoordination der Energie. Der Geist beeinflusst sowohl Körper als auch Energie und hängt gleichzeitig vom Zustand beider ab. Der Geist kann manchmal so unter dem Einfluss der Energie stehen, dass sein Gleichgewicht erst wiederhergestellt werden kann, wenn deren Störung behoben worden ist. [197]
Der Hinweis auf die Notwendigkeit der Absicherung gegen eventuelle Gefahren durch eine gründliche Unterweisung und Begleitung durch einen erfahrenen Lehrer gilt für die Innere Kunst wie für die Meditation. Tatsächlich ist es besser, beide Disziplinen im Zusammenhang zu sehen. Die Ebene der »geheimen Hindernisse« ist auch für den richtigen Umgang mit Qi Gong von großer Bedeutung. Die angemessene Einstellung zur energetischen Praxis hängt davon ab, ob man zu einer offenen Geisteshaltung fähig ist, die das Fixieren von Bewertungen verhindert. Deshalb sollte man Qi Gong nicht außerhalb des komplexen Zusammenhangs von Körper, Energie und Geist betrachten.
Um die Gefahren für den Geist deutlich zu machen, möchte ich ein Beispiel jener »spirituellen Unfälle« anführen, die auch im Zusammenhang mit Qi Gong geschehen könnten und die innere Disziplinen generell in Misskredit gebracht haben:
Jack, ein amerikanischer Staatsbürger, war etwa dreißig Jahre alt und in psychiatrischer Behandlung bei einem Vertreter der »Kontemplativen Psychotherapie« [198] , Jeffrey M. Fortuna. Während eines zweijährigen Aufenthalts in einer »freien«, an keine spirituelle Tradition gebundenen religiösen Kommune entwickelte Jack eine eigene energetische und spirituelle Praxis, die ihn zu der »Erkenntnis« brachte: »Ich bin nicht dieser Körper, sondern ein Feinkörper, und der wundervollste Aspekt daran ist das Weiße Licht.« [199]
Sein Arzt berichtet:
Jack erklärte, dass er die höchste Seligkeit und Erkenntnis erlebt habe, indem er sein Herzzentrum durch das Rezitieren eines Mantra geöffnet habe. Das brachte ihm, wie er sagte, »transzendentale Lust, den höchsten Genuss, den vollkommenen Nektar der Seligkeit«. Dann beschrieb er fünf seiner letzten Visionen von Heiligen. Einer davon war eine goldene, leuchtende Gestalt in safrangelber Robe, die Jack gegenüber völlige Fürsorglichkeit und
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