Das Stockholm Oktavo
Augen waren rot, ihr Gesicht war fleckig. »Dann haben Sie keinen guten Riecher für Neuigkeiten.« Sie erzählte mir, dass der Polizeichef mit einer Nachricht von Gustav vorbeigekommen sei: Die Rettung der königlichen Familie Frankreichs war fehlgeschlagen. Sie war in Varennes gefangen genommen worden, und es sah gar nicht gut für sie aus. Gustav wollte noch eine Zeit lang in Aachen bleiben, um die Emigranten zu trösten und einen neuen Plan zu schmieden.
»Was wird nun geschehen?«, fragte ich. All mein Frohmut war dahin. Ich musste unweigerlich an die Kinder der Königin und des Königs denken.
»Wenn ich doch nur so weit in die Ferne sehen könnte, Herr Larsson. Aber jetzt legen wir hier Ihre Karten.« Schweigend legte sie fünf Runden, aus dem Saal unten drang Gemurmel herauf. Die Ablenkung schien Madame Sparv zu helfen, und als mein Gewinn erschien, konzentrierte sie sich ganz auf die Karte: den Ober der Kelche.
»Mein Gewinn ist ein Mann?« Ich fühlte mich betrogen.
Madame Sparv versicherte mir, dass diese Karte in der Position des Gewinns gut sei. »Kelche unterstützen die Vision von Liebe und Verbundenheit. Und der Ober ist eine verdienstvolle Person. Er hält die Malerpalette, ein Zeichen für Kultiviertheit und Finesse. Wer er auch ist, er wird Ihr Liebeswerben unterstützen und Ihnen etwas von Wert zuführen – vielleicht einen Vater, der Ihnen sein Meisterwerk anbietet: die Hand seiner Tochter. Und sehen Sie: die Lilie, die Blume der französischen Könige.« Sie blickte mich an, und meine Sorge spiegelte sich in ihrem Gesicht. »Aber die Lilie wuchs auch im Garten Gethsemane am Ostermorgen. Wiederauferstehung. Eine ausgezeichnete Karte.« Sie nahm ihr Notizbuch und füllte das siebte Rechteck meines Diagramms aus. »Sie müssen jetzt gehen, Herr Larsson. Mir ist heute Nacht nicht nach Spielen zumute.«
Ich taumelte die Wendeltreppe zur Straße hinunter, als hätten die Erschütterungen der Revolution in Frankreich sich bis ins Herz meiner Stadt fortgepflanzt. Heute Nacht war es zu spät, um noch zarten Trost bei Carlotta zu suchen, aber morgen Nachmittag würde ich bei Vingström um ihre Hand anhalten. Das Band der Ehe erschien auf einmal der sicherste Hafen zu sein.
Kapitel 12
Der Schlüssel
Quellen: E. L., Madame S., A. Vingström
Um drei Uhr entschuldigte ich mich bei der Kaffeegesellschaft und überquerte auf dem Weg zu Vingströms Weinhandlung den Stortorget, den großen Platz. Endlich war ich so weit, meine Liebe zu Carlotta zu bekunden, aber als ich ankam, war das Geschäft zu, die Holzläden waren geschlossen. Ich war am Boden zerstört, gleichzeitig aber auch seltsam erleichtert. Ein Hausmädchen kam aus dem Hof, es blieb kurz stehen, um die Stiefel zu binden, und ich fragte nach dem Grund für diesen frühen Ladenschluss.
»Die Vingströms verabschieden genau zu dieser Stunde ihre Tochter, Herr, sie bricht nach Finnland auf.«
»Finnland?« Mir schien es den Boden unter den Füßen wegzuziehen, ich musste mich an der Hausmauer festhalten. »War ein Leutnant dabei?«
Errötend wandte sich das Mädchen ab. »Nein. Ich habe weder einen Offizier gesehen, noch habe ich von einem gehört.«
»Warum reist sie dann ab? Wann kommt sie wieder?«
Das Mädchen starrte auf seine Füße. »Wie es scheint, muss Fräulein Vingström Buße tun für ihr lasterhaftes Leben und muss von den Versuchungen der Stadt ferngehalten werden.« Das Mädchen machte einen Knicks und lief davon, bevor ich noch etwas darauf erwidern konnte. Ich fragte den Tabakhändler an der Ecke, den Metzger, alle Leute, die ich auf der Straße antraf, konnte aber nicht mehr in Erfahrung bringen. Völlig ungläubig ging ich nach Hause und legte mich bis fast elf Uhr aufs Bett.
Als ich in jener Nacht zu Madame Sparv kam, roch es im oberen Zimmer noch schwach nach Rasierwasser, auf der Anrichte stand ein halbvolles Glas mit einer klaren Flüssigkeit. »Ist das Wodka?«, fragte ich. »Darf ich?«
»Sie sind aufgebracht«, sagte sie.
»Sie ist weg, Madame Sparv.« Ich setzte mich in den Lehnsessel, roch am Inhalt des Glases und stellte es wieder hin. Es war Wasser.
»Wer ist weg?«
»Carlotta. Verschwunden, einfach so!« Ich schnippte mit den Fingern. »Und ich kann nicht herausfinden, warum – abgesehen von irgendeiner verleumderischen Geschichte über ihre angebliche Unzucht. Ich kann Ihnen versichern, dass sie mit mir nicht unzüchtig war! Ich habe lediglich einen Kuss bekommen.«
Madame Sparv tätschelte mir
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