Das Stockholm Oktavo
war. Ich musste all mein Können als Kartenspieler aufbieten, um mein Gesicht zu wahren, und dankenswerterweise schlug die Glocke der Jakobskirche die Stunde. »Ist es schon zwei Uhr? Oh, Madame Nordén, es ist mir so peinlich, dass ich die Zeit vergessen habe – ich muss mich mit einem Kollegen treffen und Unterlagen mit ihm austauschen. In einer Viertelstunde, höchstens einer halben, bin ich wieder zurück. Bitte verzeihen Sie!«
Unverhohlen schlich sich Missmut in ihr Gesicht – sie hielt mich für einen Drückeberger, und zu jedem anderen Zeitpunkt hätte sie damit auch richtiggelegen. »Sie brauchen den Schmetterling nicht wieder auszupacken!«, sagte ich freundlich.
Madame Nordén wurde rot und wandte den Blick ab. »Sie können gut Gesichter lesen, Monsieur. Das Geschäft läuft nur schleppend, die Kundschaft, auf die wir gehofft hatten, ist ausgeblieben. Und die Kunden, die kommen, wollen die Kunstwerke nicht, die wir fertigen. Die Fächer sind kostspielig, ja, aber das ist nicht der einzige Grund. Wir … wir sind Außenseiter. Vielleicht sind wir zu französisch.«
Ich schüttelte den Kopf und widersprach: »In König Gustavs Stockholm kann man gar nicht französisch genug sein. Sie werden es noch erleben.« Ich stand auf, nahm meinen Rock, wobei ich darauf achtete, nicht zu hetzen, und erinnerte mich in diesem Augenblick der Ruhe, warum ich hergekommen war. »Ich muss zugeben, dass ich wegen mehr als nur eines Auftrags hier bin. Ich freue mich über den prächtigen Fächer und die Botschaft, die er an meine Auserkorene sendet, aber in Wahrheit sollte ich das hier abgeben.« Ich zog den Brief heraus, der einfach an
Monsieur Nordén
adressiert war, und legte ihn auf den Tisch neben meine Neuerwerbung.
Margot sah mich neugierig an, strich über den Brief, nahm ihn aber nicht.
»Mein Mann kommt später.«
»Ich hoffe, er ist hier, wenn ich wiederkomme. Es wäre mir eine Ehre, einen solchen Künstler kennenzulernen.« Ich verbeugte mich und ging. Zwei Geschäfte weiter blieb ich stehen und sog tief die kalte Luft ein; die intime Atmosphäre im Laden hatte mich irgendwie benebelt. Die Sonne unternahm einen tapferen Versuch, durch die Wolken zu dringen, und ich meinte im Dunst dieses Mädchen aus dem
Sauschwanz
zu erkennen. Sie stand zwanzig Schritte entfernt und sah so aus, als würde sie mich beobachten. Wenn es tatsächlich die Bedienung aus der Schänke war, dann hatte sie sich merklich verbessert – sie schien gut genährt, und ihr Haar war modisch frisiert. Ihre Garderobe war zwar nicht extravagant, aber meilenweit von ihrer damaligen jämmerlichen Kleidung entfernt. Ich hob eine Hand zum Gruß, mit der anderen beschattete ich meine Augen, um besser zu sehen, aber das Mädchen drehte sich schnell um und stieg in eine wartende Kutsche mit einem freiherrlichen Wappen.
»Ein kleiner Schlüssel kann tatsächlich ein großes Tor öffnen!«, rief ich ihr hinterher und fragte mich, welches sie wohl geöffnet hatte, um in so einem noblen Gefährt zu sitzen.
Ich war nur ein paar Häuserblocks von der Regeringsgatan entfernt, wo ich einen Bankier kannte. Er hatte Verständnis für meine Lage und schrieb mir einen Schuldschein über die ganze Summe aus, die er den »Wahnsinn der Aphrodite« und das »Lösegeld der Venus« nannte. Es war auf jeden Fall ein Tag der Frauen, denn als ich in die Kocksgränd zurückkehrte, zogen zwei lebhafte Damen vor Nordéns Laden meine Aufmerksamkeit auf sich. Es waren Mutter und Tochter, ein wenig zu grell gekleidet, der Stoff war einen Hauch zu schillernd, ihre Stimmen einen Tick zu laut für den Besuch eines so kultivierten Geschäfts. Dennoch waren sie Schönheiten, der Glanz der Mutter war stumpf geworden, die Tochter stand in voller Blüte, vielleicht war sie sogar schon einen Tag darüber hinaus – das waren meine Lieblingsblumen. Ich eilte auf sie zu und wollte ihnen die Tür aufhalten.
»Ich hatte gerade das Vergnügen, hier ein Geschäft zu tätigen«, sagte ich und spürte den Sog der Tochter. Sie betrachtete mich interessiert, und ich schwöre, ihre Lippen teilten sich, als wollte sie mich begrüßen, doch dann griff die Mutter ein und schmatzte vor Aufregung, als sie sprach.
»Ist der junge Herr Nordén heute hier?«, fragte sie.
»Er kommt erst später, aber Madame Nordén ist zugegen, sie ist äußerst charmant«, antwortete ich. Sie schienen über diese Nachricht gar nicht erfreut zu sein, ein paar Schritte vor der Tür blieben sie stehen und berieten
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