Das Stonehenge - Ritual
beinahe in einem brennenden Raum eingesperrt. In dieser Situation wich der Kerl vom Drehbuch ab und dachte nur noch an Überleben und Flucht. Um zu entkommen, musste er Ihren Kollegen Jones zwar nicht töten, aber außer Gefecht setzen, und obendrein ließ er noch seine Werkzeugtasche zurück.« Featherby hatte selbst schon oft genug mit Einbrüchen und aufgebrochenen Fahrzeugen zu tun, um zu wissen, dass an ihren Ausführungen durchaus etwas dran ist.
Megan ist noch nicht fertig. »Brandstiftung war ursprünglich gar nicht seine Absicht. Der Einfall kam ihm spontan. Er war auf der Suche nach irgendetwas – etwas, das er nicht finden konnte.«
»Warum dann das Feuer?«
Sie denkt einen Moment nach. »Damit auch kein anderer etwas findet. Woraus sich wiederum ableiten lässt, dass das Gesuchte – was auch immer das sein mag – für ihn oder eventuelle Komplizen von ihm eine Bedrohung darstellt.«
Featherby nickt in Richtung Diele und Treppenhaus hinüber. »Hat er Ihnen eine Täterbeschreibung geliefert?«
Sie verzieht das Gesicht. »Erwähnen Sie das Thema lieber nicht. Er konnte sich überhaupt nicht daran erinnern, wie der Mann aussah.«
»Schade.«
»Vergessen wir das erst mal. Konzentrieren wir uns auf das Täterprofil. Abgesehen davon, dass er kein Vorstrafenregister hat, ist er nicht besonders helle. Dafür aber mutig. Es gehört schon Mumm dazu, in ein Haus einzubrechen – noch dazu eines, in dem gerade jemand gestorben ist. Wir können also von einem selbstbewussten, kräftigen Täter ausgehen, der außerdem bereits einen gewissen Grad an Reife besitzt. Ich schätze mal, er ist zwischen dreißig und fünfundvierzig Jahre alt und geht irgendeiner Form von körperlicher Arbeit nach. Wenn man bedenkt, dass nur etwas sechs Prozent der Bevölkerung von Wiltshire aus anderen Kulturen stammen, handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Weißen.«
Der junge Constable fasst zusammen: »Männlicher Weißer, Handwerker, dreißig bis fünfundvierzig Jahre alt, Raucher, kein Vorstrafenregister. Fass Sie das alles aus einem ausgebrannten Raum herauslesen, ist das wirklich erstaunlich.«
Am liebsten würde sie ihm erklären, dass der Raum selbst dabei kaum eine Rolle spielt. In erster Linie geht es darum, die Spuren zu studieren, die jeder Täter hinterlässt, und daraus Rückschlüsse auf seine Verhaltensmuster zu ziehen.
»Was für eine Verbindung bestand Ihrer Meinung nach zwischen dem Täter und dem Verstorbenen?«
Sie lässt sich mit ihrer Antwort einen Moment Zeit. »Gute Frage. Wenn wir die lösen, dann knacken wir damit auch sämtliche Rätsel dieses Falls.«
»Aber es
gibt
eine Verbindung, nicht wahr?«
»Mindestens eine, vermutlich aber mehrere.«
Er starrt sie verwirrt an.
Megan erklärt es ihm. »Der Einbrecher könnte beruflich mit dem Verstorbenen zu tun gehabt haben. Es handelt sich womöglich um einen Gärtner, Fensterputzer oder Automechaniker. Wahrscheinlich kannte er den Professor, weil er regelmäßig für ihn arbeitete oder ihm etwas ins Haus lieferte. Was erklären würde, wieso er mit einem gewissen Selbstbewusstsein hierherkam und einbrach. Ich halte es aber auch für denkbar, das unser Kandidat Nathaniel Chase kannte, weil er irgendwie in die Machenschaften des alten Mannes verstrickt war.«
»Welche Machenschafen?«
»Chase besaß viel Geld«, erklärt Megan. »Zu viel für einen Mann wie ihn. Er hatte Dreck am Stecken, da bin ich mir ganz sicher. Die Frage ist nur, welche Art von Dreck?«
Gideon, der oben auf dem Treppenabsatz sitzt, hat das Gefühl, als hätte ihm gerade jemand eine Nadel ins Herz gerammt. Tief in seinem Inneren aber weiß er, dass sie recht hat. Sein Vater war in irgendetwas Schlimmes verwickelt. Schlimm genug, um es geheim zu halten.
34
Kurz vor Mitternacht holen sie ihn.
Sie bewegen sich schnell, und sie sagen kein Wort. Nun gibt es kein Zurück mehr. Lee Johns wird bald nur noch unter dem Namen Lacerta bekannt sein. Doch der Namenswechsel wird nicht ohne Schmerzen vonstattengehen. Im Rahmen der vorbereitenden Maßnahmen hat man ihm die Augen verbunden und ihn mehrere Kilometer weit gefahren. Er steht kurz vor seiner Initiation.
Er hat sich das Recht erworben, von der Existenz des Heiligtums zu erfahren, aber es wird noch eine Weile dauern, bis man ihm auch anvertraut, wo es sich befindet. Die starken Hände mehrerer Männer, die er aufgrund der Augenbinde nicht sehen kann, führen ihn den Abstieg hinunter und dann in einen Vorraum.
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