Das Stonehenge - Ritual
wie Mord.
Vielleicht käme er mit einer Anklage wegen Körperverletzung mit Todesfolge davon, wenn er jetzt zur Polizei ginge. Falls er reinen Tisch machte und ihnen alles erzählte, was er wusste, ließe sich bestimmt etwas mit ihnen aushandeln. Womöglich sogar Straffreiheit. Aber der Zunft würde er nicht entkommen. Sie würden ihn finden und töten, das weiß er genau. Sie verfügen über Brüder bei der Polizei, bei Gericht und in den Gefängnissen. Sie würden ihn auf jeden Fall erwischen.
Serpens lässt den Kopf hängen. Er versucht sich einzureden, dass er nur eine Glaubenskrise hat. Das passiert jedes Mal. Ganz bestimmt. In dem Moment taucht Musca aus dem wolkenverhangenen Mondlicht auf, eine weiße Plastiktüte in der rechten Hand. »Alles in Ordnung?«, fragt er und legt Serpens einen Arm um die Schulter, während sie hineingehen. »Keine Sorge, in einer halben Stunde ist das Ganze vorbei. Danach fahren wir schnurstracks zu Octans. Von ihm bekommen wir unser Alibi. Er wird behaupten, dass wir die ganze Nacht bei ihm Karten gespielt haben. Da kann gar nichts schiefgehen.«
Das sagt Musca immer. Draco auch.
Da kann gar nichts schiefgehen
. Für sie geht es auch tatsächlich nie schief. Sie führten ein schönes Leben ohne schlechtes Gewissen, ohne jedes Schuldgefühl.
Die Scheune wird von einer Paraffinlampe beleuchtet. Sie steht nur wenige Meter vom Campingbus entfernt auf einer umgedrehten Holzkiste und wirft ein Delta aus gelbem Licht hinauf in die Dachsparren, die voller Spinnweben sind. Als die beiden Männer auf den Bus zusteuern, erschrecken sie mit ihren schnellen Bewegungen eine Fledermauskolonie. Lachend deutet Musca auf die hochflatternden Kreaturen. »Unheimliche kleine Mistkerle. Ich wünschte, ich hätte etwas dabei, womit ich auf sie schießen könnte.«
Serpens zieht die Schiebetür des VW s zurück. Im flackernden Licht der Innenbeleuchtung wird die von Fliegen bedeckte Leiche sichtbar. Serpens stählt sich für die vor ihm liegende Aufgabe. »Was machen wir mit ihm?«
»Wart’s ab. Zieh erst mal die hier an.« Musca reicht ihm ein paar dünne Latexhandschuhe. »Sicher ist sicher.«
Unbeholfen zwängt Serpens seine Hände hinein.
»Dann sperr mal schön die Augen auf, damit du etwas lernst«, meint Musca, während er in den Küchenbereich tritt und nach dem Korb mit Essen greift, den die Autovermietung als kleine Aufmerksamkeit beigesteuert hat. »Genau das, was wir brauchen.« In den Schränken findet er Teller, Besteck, eine Pfanne und einen Toaster. Er öffnet eine Dose Bohnen aus dem Geschenkkorb, kippt ihren Inhalt in die Pfanne und stellt diese auf den Gasherd. Anschließend steckt er zwei Scheiben Brot in den Toaster und zieht eine Flasche Wodka aus der mitgebrachten Plastiktüte. »Nun ist es fast schon geschafft, mein Freund. Fast schon geschafft.«
Gebannt sieht Serpens zu, wie Musca das Schränkchen unter dem Herd öffnet und das Gas aufdreht. Nachdem er mit einem Streichholz einen Ring des kleinen Kochfelds zum Brennen gebracht hat, dreht er es zufrieden lächelnd wieder ab. »So, damit wäre alles vorbereitet.« Er deutet auf die Leiche. »Stell dir folgende Szenerie vor: Unser Mann ist nach einem Streit mit seiner Freundin allein im Campingbus zurückgeblieben.« Er deutet auf den Wodka. »Der Mann lässt sich völlig zulaufen – eine verständliche Reaktion, wenn man während eines romantischen Ausflugs von der Liebsten verlassen wird.« Er deutet auf den Fresskorb. »In seinem Vollrausch bekommt er auf einmal Hunger und versucht, sich etwas zu essen zu machen.« Musca greift nach der Wodkaflasche und überschüttet rundherum alles mit dem Alkohol. »Unglücklicherweise ist unser liebeskranker Freund schon so besoffen, dass er sein Getränk verschüttet. Einen Großteil davon bekommt er selbst ab, der Rest landet auf dem Boden und auf dem Herd.« Musca reißt die Arme hoch. »Wumm! Plötzlich ist er ein Feuerball. In seiner Panik stolpert er, knallt mit dem Kopf gegen einen Schrank und wird ohnmächtig. Binnen weniger Sekunden fängt nicht nur der Bus, sondern die ganze Scheune Feuer, und unser Held findet tragischerweise in den Flammen den Tod.« Musca zieht die Mundwinkel nach unten, um so etwas wie eine Trauermiene zu simulieren. »Manchmal nimmt unerwiderte Liebe eben ein schlimmes Ende.«
Serpens ist nicht in der Verfassung, um Kritik an dem Plan zu üben. »Du meinst, der Brand zerstört alle Beweise, die uns belasten könnten?«
»Genau.« Musca schwenkt
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