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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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fanden ihn schließlich in einer Senke, in der sich zumindest erahnen ließ, wie es hier vor Kurzem ausgesehen hatte.
    Maeva verstand sehr schnell, was Shark, der die Rolle des Regisseurs übernommen hatte, von ihr wollte. Sie folgte seinen Anweisungen gerne, denn sie waren schlicht und verständlich. Ihm schwebte vor, sie als eine Art Alice im Wunderland durch die funkelnde Splitterwüste zu schicken.
    Cording nahm etwas abseits auf einer hohen Düne Platz. Von dort beobachtete er, wie Maeva Sharks Vorgaben interpretierte. Sie legte einen grazilen Spaziergang in den Sand, auf dem sie verwundert mit den verschütteten Spiegeln spielte, deren Sinn ihr nicht einzuleuchten schien. Es war schon seltsam, wie klaglos sich die ansonsten so selbstbewusste Maeva von Shark in diese alberne Rolle drängen ließ, wie sie jede vorgeschlagene Pose sofort akzeptierte und umsetzte. Und alles nur, um dem in seiner Show irregewordenen und in der Psychiatrie ruhig, gestellten Knaben wieder Vertrauen einzuimpfen. »Der arme Mensch …« Cording hatte noch ihren betroffenen Ton im Ohr. Seitdem war sie wohl von der Idee besessen, dem Sensibelchen wieder auf die Beine zu helfen.
Bamako/Mali, 9. Oktober 2028
    Maeva, Steve und Shark haben sich an den Bildern noch nicht abgearbeitet, die das Leben für uns bereithält. Mir hingegen kommt es vor, als hätte ich alles schon einmal gesehen, ich bin nicht mehr zu überraschen, das ist ein widerlicher Zustand. Selbst hier in Bamako, dieser quirligen Millionenmetropole am Niger, erkenne ich hinter allem Treiben nur ein gigantisches Zerstörungswerk. Noch in den engsten sandigen Gassen quälen sich altersschwache Mopeds und Pkws Ruß speiend durch die Menge. Ohne die schreiend bunten Farben ihrer Gewänder wären die Menschen kaum auszumachen in den Abgasschwaden. An den Straßenrändern türmt sich Plastikmüll, die Tuchhändler füllen Benzin ab, und aus den Bretterbuden der Werkstätten bahnen sich Rinnsale von Altöl den Weg ins Freie. Wo immer man sich bewegt, ist man von einer Horde lachender, feixender Kinderkobolde umgeben, deren Augen und Münder voller Schorfwunden sind, an denen sich die Moskitos mästen.
    Ich hätte Maeva ins Regierungsviertel nach Koulouba begleiten sollen. Wäre interessant gewesen zu sehen, wie der Präsident auf ihre Forderungen reagiert. Die reine Absichtserklärung der Region Bamako, Mitglied der URP werden zu wollen, reicht ihr nämlich nicht. Inzwischen verlangt sie mehr. Jeder Bewerber muss verbindlich erklären, dass er sich im Laufe von zehn Jahren ökologisch neu aufstellt. Um wenigstens den Mindeststandard zu erfüllen, wie er von den Mitgliedern im Pazifik seit Langem vorgelebt wird, ist es unerlässlich, sich sowohl von den fossilen Energieträgern als auch von der Nuklearenergie zu verabschieden. Darüber hinaus sieht der Mitgliedervertrag vor, dass sich keine Petrochemie ansiedeln darf, dass Beton als Baumaterial ausscheidet und Plastik, in welcher Form auch immer, keine Anwendung mehr findet. Für alles andere, wie zum Beispiel den Straßenbau aus Reiskleie, die Umrüstung auf alternative Antriebe und die chemiefreie Landwirtschaft, stehen die URP beratend und mit finanziellen Hilfen zur Seite.
    Morgen fliegen wir auf Wunsch Maevas in die Region Djenné-Timbuktu. Der Präsident von Bamako stellt uns einen Helikopter zur Verfügung, da im ehemaligen Mali die Warlords regieren. Bürgerkrieg, Aids, Hunger und Wassermangel haben das Land zu einem Ort des Schreckens und der Willkür gemacht. Eine Fahrt im Auto wäre nicht zu verantworten. Erst kürzlich hat Global Oil von den Plänen einer Niger-Pipeline Abschied genommen und die Erdölförderung im Norden des Landes eingestellt. Daran lässt sich ermessen, was hier los ist.
    Djenné – der Name übt auf mich eine eigenartige Faszination aus. Die Stadt ist vollständig aus Lehm gebaut. Mit ihren mittelalterlichen Bürgerpalästen, der Großen Moschee und den traditionsreichen Koranschulen lässt sie die kulturelle Hochzeit des Mali- und Songhai-Reiches erahnen. Djenné ist eine Perle aus der Vergangenheit. Die kleine Zeitreise in diese Enklave der Ruhe könnte erfrischend sein.
Djenné/Mali, 13. Oktober 2028
    Die Fahrt vom Flughafen in die Stadt war ein einziger Triumphzug. Jubelnde Massen säumten die Straßen, als hielte mit Maeva die Erlöserin persönlich Einzug. Ein Schwarm kreischender Kinder begleitete unseren offenen Jeep bis auf den Marktplatz vor die Große Moschee. Wer hatte diese Menschen

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