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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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und bösen Geistern schützte.
    Der Mann war von der Wirksamkeit des Zaubers derart überzeugt, dass sogar einem Skeptiker wie Cording die Starre aus den Gliedern wich. Sichtlich entspannt verfolgte er nun das aberwitzige Treiben vor und an der Moschee. Was ihm eben noch als unorganisiertes Gewimmel erschienen war, entpuppte sich bei näherem Hinsehen als eine bis ins Kleinste ausgefeilte Choreografie. In atemberaubendem Tempo und mit ungeheurer Präzision griff ein Arbeitsgang in den nächsten. Kinder und Frauen, junge und alte Männer – sie alle waren auf sinnvolle Weise in das lärmende Renovierungsspektakel integriert.
    Cording wagte einen Blick hinauf zu den Maurern, um deren Wohlergehen er sich vor Kurzem noch gesorgt hatte. Die Minarette und Kuppeln auf der rechten Moscheeseite waren bereits verputzt. Wie zähe Schokoladensoße schien der frische Lehm an ihnen hinabzugleiten. Die Sorgfalt, mit der die Männer ihn auf der rissig gewordenen Außenhaut auftrugen, um ihn dann mit bloßen Händen zu verstreichen und anzupassen, hatte etwas Intimes, als würden sie ihr Gotteshaus massieren.
    Nach vier Stunden, kurz nach neun Uhr, hatten die Bewohner von Djenné den Wettlauf gegen die Zeit gewonnen. Die rechte Moscheeseite war noch vor Ausbruch der großen Hitze vollständig verputzt worden. In zwei Wochen würde die linke Hälfte in Angriff genommen werden. Aber jetzt galt es erst einmal, den Etappensieg zu feiern. Die von der Wand gestiegenen Maurer wurden von der Menge auf Händen über den Platz getragen. Die Menschen begannen zu tanzen, als hätte man sie in Trance versetzt. Ihre ekstatischen Bewegungen brachten die festgebackenen Lehmkrusten auf ihren Gesichtern zum Platzen. Von allen Seiten sprangen Kinder in den noch feuchten Bankomorast. Sie hüpften und johlten im Schlick und bewarfen jeden, der ihnen zu nahe kam.
    Cording beobachtete eine Gruppe von vier Mädchen, die sich im Schutz eines Eselkarrens bis vor die Tribüne geschlichen hatten. Sie steckten die Köpfe zusammen, kicherten und rannten direkt auf Maeva zu, an der sie nun so lange herumzerrten, bis sie ihnen freiwillig folgte. Für einen kurzen Augenblick wurde es still auf dem Platz. Maeva stolperte an den Händen ihrer kleinen Quälgeister lachend durch die Menge. Vor dem großen Lehmhaufen hielten die Mädchen an. Auf ein Zeichen des Marabouts ließen die Kinder von ihrem Opfer ab und warfen sich in den Schlamm. Dabei winkten sie der fremden Frau, es ihnen gleichzutun. Maeva streifte die Sandalen von den Füßen. Kaum dass sie den glitschigen Untergrund betreten hatte, flogen ihr schon die ersten Placken entgegen. Eines dieser kinderfaustgroßen Geschosse traf sie direkt an der Schulter.
    Es war das Signal für eine Lehmschlacht ungeheuren Ausmaßes. Soweit Cording beobachten konnte, schlug sich Maeva inmitten der hysterischen Kindermeute äußerst achtbar. Sie ging zwar mehrmals zu Boden, rappelte sich aber immer wieder auf. Da inzwischen auch viele Erwachsene in den Ring gestiegen waren, vermochte er sie unter den verschmierten Gestalten kaum noch auszumachen. Steve, der das Gemetzel hautnah zu filmen versuchte, war um seine Position nicht zu beneiden.
    Zu Cordings Verwunderung machte niemand auf der Ehrentribüne Anstalten, das wilde Treiben zu unterbrechen, auch der Marabout nicht, der sich über Maevas hingebungsvollen Einsatz sichtlich amüsiert zeigte. Erst als die Restbestände des Banko aufgebraucht waren, beruhigten sich die Gemüter. In einer langen fröhlichen Prozession strömten die gezeichneten Lehmkrieger zu den Ufern des Bani, um sich reinzuwaschen.
    Als Maeva unter dem Beifall der Menschen eine Stunde später mit nasser Mähne in ihrem feuchten, am Körper klebenden Pareo auf den Marktplatz zurückkehrte, traute Cording seinen Augen nicht. Nie zuvor hatte er sie so befreit, so beseelt gesehen.
    Cording fühlte, wie jemand ihm auf die Schulter tippte. Es war Steve, der ihn ein Stück zur Seite nahm.
    »Dreh dich nicht um«, flüsterte er. »Hinter uns am Stand mit dem Modeschmuck treibt sich ein Mann in Bermudashorts herum. Er trägt eine Sonnenbrille. Shark behauptet, dass er den Kerl schon früher gesehen hat. In Douz.«
    »Was ist mit dir? Ist er dir ebenfalls aufgefallen?«
    »Nein. Aber Shark ist sich hundertprozentig sicher. Was machen wir?«
    Cording überlegte. »Haben wir Aufnahmen von ihm?«
    »Nicht dass ich wüsste, müsste Zufall sein. Auf jeden Fall sollten wir das vorhandene Material noch einmal sichten.

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