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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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Antwort auch war, sie reichte aus, um sie alle ein wenig verlegen zu machen …
    Cording hatte von dem Besuch des Haa-Alifu-Atolls abgeraten, aber Maeva, Shark und Steve wollten sich von der Idee nicht abbringen lassen. Und so spielten sie plötzlich nach einer Partitur, wie man sie überall auf der Welt aufschlug, wenn es darum ging, einer politischen Botschaft in global verständlichen Bildern auf die Sprünge zu helfen.
    Die Pressemeute wartete bereits auf sie. Über fünfzig Boote zählte Cording rund um das halb versunkene Atoll, sie alle zeigten Flagge. Die großen Fernsehgesellschaften waren bunt und vollständig angetreten. Der Klimakollaps war keine bloße Theorie mehr, er war endlich in zwanzig Sekunden vorführbar und damit medienkompatibel. Seltsam, dachte Cording, dass die UNO dieses Emotionspotenzial nicht erkannt hat, dass sie das Feld allein Maeva und den URP überließ.
    Die »Malé-Ferry« hatte die Fahrt gedrosselt und glitt durch das Spalier der gecharterten Motorjachten und Wasserflugzeuge an die im Meer liegenden Überreste der Insel Utheemu heran, die für die Malediver von ganz besonderer Bedeutung gewesen war. Auf Utheemu war ihr Volksheld Sultan Muhammad Thakurufaanu geboren worden, der die Malediven im sechzehnten Jahrhundert von der portugiesischen Fremdherrschaft befreit hatte. Das Haa-Alifu-Atoll mit seiner Hauptstadt Dhidhoo zählte bis zu seiner Evakuierung vor drei Jahren etwa zehntausend Einwohner, die auf sechzehn seiner Inseln lebten. Vierundzwanzig weitere Inseln des Atolls waren unbewohnt.
    Maeva stand am Bug der Fähre und schaute auf die grauen Palmenstämme, die wie versteinerte Meerespflanzen aus dem Ozean ragten. Zur Linken sah sie die Dächer des Holzpalastes in der Sonne schimmern, den Sultan Thakurufaanu bewohnt hatte und der von den Einwohnern erst vor zehn Jahren aufwendig restauriert worden war.
    Cording bewunderte die Haltung, mit der sich Maeva der Erinnerung an eine Tragödie stellte, die im letzten Jahr die ganze Welt erschüttert hatte. Sie reagierte nicht auf die Zurufe der Reporter. Die zahlreichen Richtmikrofone, mit denen man auf sie zielte, fingen nichts anderes ein als das respektlose verbale Gezerre der Journalisten. Es hörte erst auf, als Maeva das zu Wasser gelassene Beiboot bestieg, in dem sie nun bis vor die vierhundertfünfzig Jahre alte, vom Wasser umspülte Moschee ruderte. In diese Moschee hatten sich die 127 Menschen, die sich auf Utheemu über Wochen hinweg hartnäckig jeder Evakuierung widersetzten, in ihren letzten Tagen zurückgezogen. Ihr freiwilliges, aber qualvolles Sterben war dennoch nicht unbeobachtet geblieben. Immer wieder war es Fernsehteams gelungen, sich mit Schlauchbooten Zugang ins Innere des Gotteshauses zu verschaffen. Auf diese Weise wurde die Weltöffentlichkeit Zeuge, wie einundfünfzig Einheimische und sechsundsiebzig mit ihnen sympathisierende Idealisten aus aller Herren Länder langsam und bewusst das Zeitliche segneten – als Opfer des Weltklimas, aber auch in dessen Interesse.
    Die tödliche Inszenierung von Utheemu war tatsächlich so etwas wie eine Initialzündung gewesen. Milliarden Menschen waren durch die tragischen und heldenhaften Ereignisse auf Utheemu nachhaltig aufgeschreckt worden. Und wenn Maeva nun nacheinander achtundneunzig Edelsteine vom Boden des Bootes hob, um sie rund um die Moschee zu versenken, so konnte man sicher sein, dass diese Zeremonie weltweit verstanden wurde. Shark hatte auf EMERGENCY TV rechtzeitig auf die Bedeutung der Aktion hingewiesen. Alle achtundneunzig in den URP versammelten Regionen hatten für die heutige Zeremonie einen besonderen »Bodenschatz« zur Verfügung gestellt, um sich durch ihn mit dem Geist der Märtyrer zu verbinden.
    Maeva führte jeden einzelnen Stein, den sie dem Wasser anvertraute, zuvor an ihre Stirn. Sie ließ sich in ihrer Andacht auch nicht beirren, als die Pressejachten in ihrem Rücken bei aufheulenden Motoren die Seite wechselten.
    Hulhumalé, die neue Hauptstadt der Malediven, war immer noch eine gigantische Baustelle. Seit 1997, als damit begonnen wurde, die drei Kilometer nordöstlich der ehemaligen Hauptstadtinsel Malé gelegene Landfläche der Hulhulé-Lagune aufzuschütten, arbeitete man fieberhaft an der Fertigstellung der neuen Metropole. Die Zeit drängte, denn das nur einen Meter über dem Meeresspiegel gelegene Malé, mit achtzehntausend Einwohnern pro Quadratkilometer einst eine der am dichtest besiedelten Städte der Welt, holte sich

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