Das Südsee-Virus
stetig zum Besseren wenden.
Die Wortbeiträge kamen jetzt vornehmlich aus dem Publikum, wobei die Redner nichts Neues beizutragen hatten, sie ergriffen lediglich Partei. Es war klar, dass es zwei Lager gab. Auf der einen Seite das Gros derer, die sich nicht abkoppeln lassen wollten von dem Geschäft, egal wie es betrieben wurde. Auf der anderen Seite das Häufchen derer, die das Wohlstandselend und damit die kulturelle Entwurzelung der indigenen Bevölkerung kommen sahen. Sie wurden nicht freundlich angehört.
Cording war froh, als das nutzlose Palaver ein Ende fand. Maeva hatte sich zu Wort gemeldet, und plötzlich summte keine Biene mehr im Stock.
»Eigentlich«, begann sie, »hatte ich mir euer Problem anders vorgestellt. Ich bin nicht gekommen, um euch in dem zu bestärken, was die Menschheit an den Rand ihrer Existenz gebracht hat: die Gier nach Geld. Aber ich kann euch versprechen, dass ich für eure Rechte kämpfen werde. Ihr sollt beteiligt werden, und zwar so, wie es eure Verfassung vorschreibt. Es ist eine gute Verfassung, und eure Regierung ist eine gute Regierung. Sie hat es bisher verstanden, euer Land dem Zugriff multinationaler Konzerne zu entziehen. Diese Politik hat meine volle Anerkennung. Und wenn eben in dem einen oder anderen Beitrag Bedenken gegen das Konsortium laut geworden sind, das unter Führung der staatlichen Bergbaugesellschaft COMIBOL gegründet wurde, so solltet ihr daran denken, dass euer Lithiumschatz auf ewig im Salar de Uyuni schlummern würde, wenn es nicht gelungen wäre, sich den Beistand des Auslandes zu sichern. Bolivien hat keine Erfahrung mit der Herstellung von Lithium, es braucht die Technologie aus dem Ausland, sonst könnte das Lithium weder gefördert noch im eigenen Lande weiterverarbeitet werden. Der französische Mischkonzern Bolloré ist Teil des Konsortiums geworden. Er verfügt über das nötige Know-how und wurde mit Bedacht ausgewählt. Bolloré hat eure Regierung jahrelang und kostenlos beraten. Zum Einstieg hat Bolloré nun eine Milliarde US-Dollar in das Lithiumprojekt investiert. Die gleiche Summe wurde von den Japanern und Koreanern zur Verfügung gestellt. Das ist die doppelte Summe dessen, was Bolivien zum Aufbau einer eigenen Lithiumindustrie benötigt. Euer Land verfügt also jetzt über das notwendige Startkapital, um einen gemäßigten Abbau in Angriff zu nehmen und die Menschen dieser Region angemessen zu beteiligen.«
Cording war verblüfft von Maevas Ausführungen, das klang ja, als hätte die bolivianische Regierungssprecherin das Wort ergriffen.
»Wie ihr wisst«, sagte Maeva, »treffe ich morgen im ›Hostel de Sal‹ mit Energieminister Ernesto Mastretta zusammen. Außerdem wird der Leiter der Abteilung Grundmetalle von Mitsubishi zugegen sein. Ich werde die Herren mit Nachdruck daran erinnern, dass laut bolivianischer Verfassung ein nicht unbeträchtlicher Teil des zur Verfügung stehenden Startkapitals unter den Gemeinden am Rande des Salars aufzuteilen ist. Die entsprechende Bereitschaft wurde mir bereits signalisiert.«
Maevas letzte Worte wirkten erlösend auf die Indios, als sei ihnen soeben der Schorf des Zweifels von der Seele gekratzt worden.
»Ihr werdet demnächst genügend Mittel zur Verfügung haben, um die Infrastruktur eurer Gemeinden zu verbessern. Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Kraftwerke, auch Telekommunikation – das alles wird schon sehr bald zu finanzieren sein. Seid dankbar dafür und nutzt die Chance. Auf keinen Fall dürft ihr den Fehler begehen, auf ausgetretenen Pfaden in die Zukunft zu stürmen. Denkt nachhaltig, vergesst Beton und Asphalt, baut auf nachwachsende Rohstoffe, setzt auf Wind- und Sonnenenergie, verzichtet auf Pflanzenschutzmittel und genmanipuliertes Saatgut, das man euch mit Sicherheit anzudrehen versucht. Verzichtet auch auf die vielen überflüssigen Produkte der Pharmaindustrie, und vertraut auf die Segnungen, welche Mutter Erde seit jeher bereithält. Vor allem lasst euch nicht gegeneinander ausspielen. Behandelt die Natur mit Respekt, dann wird sie euch mit innerem und äußerem Reichtum beschenken. Dann werdet ihr einsehen, dass man dem Salar de Uyuni nur solche Wunden zufügen darf, die er auch verkraften kann. Die Welt schaut auf euch, gebt ihr ein gutes Beispiel. Ich danke euch, oder wie wir Tahitianer sagen: Mauruuru roa …!«
Einige Sekunden blieb es gespenstisch still im Rathaus von Uyuni, dann hatten die Menschen verstanden und begannen zu klatschen.
Das »CRISTAL« auf dem
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