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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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Einzige, was sie in dieser eisigen Nacht hörten. Sie folgten ihren Schatten, die sich jetzt, da Maeva ihren Kopf an seine Schulter lehnte, zu einem wunderbaren Scherenschnitt fügten. Alles um sie herum war nacktes, abstraktes Universum. Alles war so ungeheuerlich viel, so voller abgeklärter, strahlender Dunkelheit und so kalt. Cording legte seinen Arm um Maevas Taille. Ohne sie habe ich nichts mehr, dachte er. Er beobachtete das Schattenpaar, das ihren Füßen entsprang. Er blieb stehen, zog die Schultern hoch und richtete den Kragen auf. Am Horizont schimmerten schwach die Lichter des Hotels. Über ihnen erklomm der schräge Orion die Barrikade der Berge. Gegen das Mondlicht sah Maeva aus, als hätte man sie in eine Gloriole gewickelt. Er führte ihren Kopf an seine Stirn. Sein Herz pumpte das Blut so heftig in die Schläfen, dass er glaubte, ihm müsse der Schädel platzen. In einer einzigen gelungenen Berührung mit ihr steckte mehr Glück, als er verkraften konnte. Maeva schmiegte sich zitternd an ihn. Cording rubbelte ihr mit den Fäusten über den Rücken und wollte gerade vorschlagen umzukehren, als ein ohrenbetäubender Knall die Luft erzittern ließ. Er kam vom Ufer, dort, wo das Hotel stand. Eine Riesenstichflamme erhellte den Himmel und erstickte wild züngelnd in einer Wolke aus schwarzem Qualm.
    Maeva riss sich los. Sie rannte so schnell, dass Cording ihr kaum folgen konnte. Immer wieder stolperte er über die Verwerfungen auf dem Salar, während sich Maeva wie eine Tranceläuferin in irrem Tempo leichtfüßig darüber hinwegsetzte. Schließlich musste er passen. Seine Lungen brannten, und er hatte höllisches Seitenstechen. Schwer atmend hielt er inne, stützte die Hände auf die Knie und musste mit ansehen, wie sie ihm endgültig davonlief. Er riss sich zusammen und trabte ihr, so gut es eben ging, hinterher. Als er sich dem Hotel bis auf hundert Meter genähert hatte, hörte er Schreie und Stimmengewirr. Er sah Menschen hektisch hin und her laufen, sah vereinzelte Flammen aus dem Dach schlagen, sah, wie sich die Menschen im Kreis versammelten, sich übereinander beugten.
    Rudolf, die Krieger, Steve, das Hotelpersonal – sie alle machten Platz, als hätte er ein Recht darauf, dem Tod ins Auge zu blicken. Vor ihm kniete Maeva am Boden, ihr Körper bebte und zitterte, während ihre Hände fast flehentlich über Sharks Gesicht strichen, als wolle sie ihm neues Leben einhauchen, als wolle sie nicht wahrhaben, dass dieser entsetzlich entstellte Junge nicht mehr zu retten war. Ihre Klagelaute waren herzzerreißend.
    Cording schlich sich rückwärts aus dem Kreis. Hatte Shark ihm gegenüber nicht von dem üppigen Blumenschmuck in seiner Suite geschwärmt? War diese Suite nicht eigentlich Maeva und ihm vorbehalten gewesen? Hatten sie nicht mit Shark zusammen eingecheckt und gemeinsam die Schlüssel empfangen? Hatte nicht er, Cording, als Erster nach dem Schlüssel gegriffen, nach dem falschen, wie es aussah?

Schwarz und weiß
Santiago de Cuba, 21. Dezember 2028
    Habe eben lange mit Omai telefoniert. Es war das erste Mal seit unserer Abreise aus Sydney, dass er Kontakt zu uns aufgenommen hat. Er rief an, um sich nach Maevas Zustand zu erkundigen. Auf Tahiti glaubt niemand, dass es sich bei der Explosion um einen Unfall gehandelt hat. Angeblich soll eine kaputte Propangasflasche schuld gewesen sein, die im Badezimmer der Suite vergessen worden war. Eine dubiose Geschichte. Warum Omai seine Schwester nicht direkt angerufen hat, ist mir ein Rätsel.
    Die Art, in der sich Omai über Maevas »Erweckungstournee« geäußert hat, lässt darauf schließen, dass ihr Engagement auf Tahiti zum Politikum geworden ist. Er sprach gar davon, dass ihre Reise in den Reihen der URP inzwischen höchst umstritten ist. Viele Mitglieder – Namen nannte er keine – seien der Meinung, dass ihr Alleingang mit den Statuten nicht vereinbar sei. Kann ich nicht nachvollziehen. Sie steht mit dem Präsidium im regelmäßigen Kontakt, da hätten wir etwas hören müssen.
    Viel bemerkenswerter fand ich seine Vermutung, dass Maeva – durch den öffentlichen Erfolg geblendet – von einem fatalen Sendungsbewusstsein durchdrungen sein könnte. So etwas sei immer gefährlich, und er mache sich große Sorgen um ihr Leben. Aber offensichtlich habe sie auf ihrer religiösen Mission den eigenen Tod längst akzeptiert. Ich muss gestehen, dass ich mir schon ähnliche Gedanken gemacht habe. Und wie Omai war mir nicht wohl dabei …
    Nach

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