Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
Wolf. Trauen können wir ihm nur bedingt, wissen wir doch, dass er hinterhältig sein kann. Er versucht, Gláed als ungehorsames Kind darzustellen«, erläuterte Fidelma ihre Sichtweise weiter. »Doch ich glaube, er hegt den Verdacht, dass sich hinter dem Ungehorsam mehr verbirgt.«
»Hast du keine Sorge, wir könnten uns in Gefahr begeben, wenn wir mit nach Barr an Bheithe reiten und plötzlich Gláed oder Adamrae, wie immer er heißen mag, gegenüberstehen?«
»Ein Ei lässt sich nur essen, wenn man die Schale pellt«, war ihre etwas rätselhafte Antwort. »Hoffen wir, dass das Schicksal es gut mit uns meint.«
»Ich dachte immer, du hältst es mehr mit den Lehren des Pelagius, dass wir selbst unser Geschick bestimmen«, erwiderte Eadulf verwundert. »Du glaubst doch sonst nicht an die Macht des Schicksals.«
»Uns ausgerechnet jetzt auf einen Disput über theologische Fragen einzulassen, scheint mir abwegig, Eadulf. Wie auch immer, wirft man einen Stein ins Wasser, kräuselt es sich unweigerlich. Entscheidend ist, wie man mit den entstandenen Wellen umgeht.«
»Und deshalb setzen wir uns einer Gefahr aus?«
»In Gefahr haben wir uns bereits in dem Moment begeben, in dem wir das Land der Uí Fidgente betreten haben.«
»Unsere hauptsächliche Aufgabe bestand darin, herauszufinden, wer der Attentäter war und weshalb er deinen Bruder töten wollte.«
»Das habe ich nicht vergessen«, entgegnete sie gereizt.
»Dann sollten wir uns auch in erster Linie darum kümmern und nicht diesem Gláed oder Adamrae hinterherjagen.«
»Eadulf, ich brauche doch wohl nicht darauf hinzuweisen, dass das eine nicht vom anderen zu trennen ist.« Trotz ihrer leichten Verärgerung blieb ihr Ton ruhig. »Alles hängt irgendwie zusammen, so kompliziert die Geschichte auch ist.«
»Kann es sich nicht einfach um reine Zufälle handeln?«, setzte sich Eadulf zur Wehr. »Es ist doch gar nicht gesagt, dass die Sache mit Gláed und dem, was er an der Eichenfurt getan hat, wirklich mit dem in Verbindung steht, was auf dem Gehöft von Menma geschehen ist oder auch in Cashel. Wir verschwenden unnütz Zeit, wenn wir das hier auch noch aufklären wollen. Soll doch Fidaig seinen Sohn allein zur Vernunft bringen, wenn er das für nötig hält.«
Fidelma ließ sich auf die Binsen sinken, die als Bettstatt aufgeschüttet waren.
»Dann sag mir bitte, wie du die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Überfall auf meinen Bruder erklärst.«
»Nichts leichter als das. Da gab es einen Krieger, der anscheinend ein Mitglied der Leibgarde deines Bruders war. Nach der Niederlage der Uí Fidgente bei Cnoc Áine wurde er wie viele andere in dieses Land hier geschickt, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen, bis der Friedensvertrag mit deinem Bruder besiegelt war. Er bezog Unterkunft in dem Gehöft von Menma. Aus irgendeinem Grund richtete er sich gegen seinen Gastgeber und schlug ihn mitsamt der Familie nieder. Das gleiche Schicksal erlitt mit ihnen Liamuin.
Suanach, die den Krieger gesehen hat, berichtet, er hätte einen Schild mit dem Wappen deines Bruders getragen. Mit der Bedeutung des Wahrzeichens wusste sie nichts anzufangen, konnte es aber gut genug beschreiben, so dass über die Herkunft kein Zweifel bestand. Das wiederum erzählte siejemandem, der damit etwas anzufangen wusste. Dieser Jemand kannte Liamuin oder stand ihr sogar sehr nahe. Wie wir gehört haben, war Liamuin eine Frau, in die sich Männer sehr rasch verliebten. Dieser Unbekannte kam nach Cashel und versuchte aus Rachegelüsten, deinen Bruder umzubringen … er suchte gewissermaßen ein Sühneopfer.«
»Und was ist mit all den Fragen, die dann immer noch offen bleiben?« Auf Fidelmas Gesicht lag ein nachsichtiges Lächeln.
»Nämlich welche?«
»Warum wurde diese liebestrunkene Wut vier Jahre zurückgehalten, ehe man zur Rache schritt? Warum benutzte der Attentäter den Namen von Liamuins Bruder, einem Apotheker, der auf dem Hügel bei Cnoc Áine den Tod fand? Warum kam der Attentäter gerade an dem Abend nach Cashel, an dem auch Liamuins Tochter dort auftauchte? Warum suchten beide dieselbe Holzfällerhütte auf, wenn auch zu unterschiedlicher Zeit? Und welche Rolle spielt Ordan bei dem Ganzen, der in derselben Nacht hier aus dieser Gegend kam? Was ist mit seinen krummen Geschäften mit Gláed, der sich hinter dem Namen Adamrae versteckt?« Sie hob dramatisch die Hände. »Oh, Eadulf, Eadulf! Siehst du denn nicht, dass es sich keineswegs um einen einfachen Faden handelt, den wir
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