Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
Krieger mit dem Goldenen Halsreif.«
Durch die Menge ging ein aufgeregtes Raunen. Eadulf und Gormán wechselten einen besorgten Blick.
»Lady Fidelma ist eine dálaigh , Anwältin unserer althergebrachten Rechtsprechung«, fuhr Fidaig fort. »Dass sie gerade heute Abend bei uns ist, könnte besser nicht sein, muss doch gerade heute Abend ein Streit nach uraltem Recht mit einem Waffengang, dem fir cómlainn , entschieden werden.«
Eadulf bemerkte sofort, dass Fidelma aschfahl wurde. Auch Gormán neben ihm wirkte nervös und hielt den Griff seines Schwertes fest umspannt. »Das bedeutet Kampf zwischen zwei Gegnern auf Leben und Tod«, raunte er Eadulf zu. »Ich dachte immer, das wäre gesetzwidrig.«
Fidaig, dem die Bemerkung nicht entgangen war, wandte sich an Fidelma. »Ist der Einzelkampf gesetzwidrig, Lady?«
Fidelma war in Gewissensnöten. »Im eigentlichen Sinne nicht. Nie hat ein Brehon es für nötig gehalten, ihn zu verbieten, denn er war nur in längst vergangenen Zeiten üblich und spielt heute keine Rolle mehr. Der Gedanke, Streitigkeitenmit dem Schwert zu entscheiden, wird heute eher für barbarisch gehalten, unsere Gesetzgebung spricht sich für Schlichtung, für Wiedergutmachung aus.«
»So betrachtet, befindest du dich in einem barbarischen Land.« Fidaig grinste hämisch. »Für meine Begriffe lässt das Gesetz auch den Einzelkampf zur Schlichtung von Streitigkeiten zu.«
»Das stimmt«, musste Fidelma zugeben. »Es gelten aber strenge Regeln, die festlegen, ob der Fall als solcher rechtmäßig ist. Wer hat auf einem Nahkampf bestanden?«
Fidaig erhob die Hand und winkte. Ein großer Krieger trat hervor, bewaffnet und ausgerüstet mit Kampfhelm und Schild. Auf der anderen Seite erschien Artgal, Fidaigs Sohn, gleichfalls in voller Rüstung.
»Loeg hat zum Einzelkampf gefordert, und Artgal hat die Forderung angenommen.«
»Und worum geht der Streit?«
Unter einem fast lüsternen Lachen erklärte Fidaig: »Um eine Frau, worum auch sonst? Loegs Frau ist jetzt Artgals Geliebte.«
Ärgerlich verzog Fidelma den Mund. »Die Gesetzgebung sieht umfangreiche Lösungsmöglichkeiten für derartige Fälle vor. Das Gesetz geht auf zahlreiche Gründe für Trennung und Scheidung ein.«
»Das mag ja sein, aber einen Streit um ihre Frauen sehen die Luachra lieber ein für alle Mal in einem Einzelkampf entschieden.«
Missbilligend betrachtete Fidelma die vermeintlichen Gegner. »Man sagt, es gäbe drei Sorten von Männern, die ihre Frauen nicht verstehen: junge, alte und Männer mittleren Alters.«
Fidaig lachte. »Gut und schön – aber an der Forderungändert das nichts, die besteht. Wie sieht es aus, willigst du ein, Kampfrichter zu sein?«
Fidelma durchschaute den hinterlistigen Herrscher der Luachra. Er hatte sie in eine Situation gedrängt, die ihm zeigen würde, wie weit ihre Entschlossenheit und ihr Mut gingen. Er versuchte, sie zum Schiedsrichter zu machen. Aber jetzt und an diesem Ort konnte sie unmöglich ein Urteil über einen noch nie da gewesenen Fall sprechen. Ihr blieb nur ein Weg offen.
»Die Forderung ist ausgesprochen und angenommen worden, sagst du?«
»So ist es.«
»Haben sich beide Männer vor der Verkündung, zum Einzelkampf anzutreten, bereit erklärt, sich dem Gesetz zu beugen?«
»Beide Männer haben erklärt, keine andere Lösung zur Beilegung ihres Streits zu sehen, und haben sich für den Nahkampf auf Leben und Tod entschieden.«
Fidelma schwieg einige Augenblicke und suchte nach Möglichkeiten, wie sie den Kampf verhindern konnte. Die gesetzmäßigen Kriterien waren leider erfüllt. Beide Männer, so schien es, waren zum Einzelkampf entschlossen.
»Also gut. Sollen sie vortreten.« Die Kämpfer taten es, und Fidelma fragte einen nach dem anderen. »Du siehst keine andere Möglichkeit, den Streit zu schlichten?«
Loeg erklärte: »Nur der Tod bringt die Entscheidung.« Artgal grinste zustimmend und bestätigte seinerseits: »Loeg hat mich heute Morgen gefordert, und ich habe die Forderung angenommen. Fechten wir also die Sache aus.«
Fidelma war schon im Begriff, ihre Zustimmung zu geben, als sie plötzlich innehielt. »Wann, hast du eben gesagt, wurde die Forderung ausgesprochen?«
»Heute Morgen. Und ich habe sie angenommen«, erwiderte Artgal im Brustton der Überzeugung.
»Es gibt auch Zeugen«, mischte sich Fidaig rasch ein, der das Lächeln auf ihren Lippen sah. »Ich habe mich auf das Gesetz berufen, nach dem es für beide Seiten Zeugen geben muss. Beide
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