Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
beitragen.«
Marban runzelte die Stirn. »Wenn ich kann, will ich dir helfen.«
»Ich möchte von dir erfahren, warum Liamuin wirklich von ihrem Mann Escmug geflohen ist.«
Der Müller stutzte, auf eine solche Frage war er nicht gefasst. »Er war ein brutaler Kerl und ein Mistvieh«, antwortete er abwehrend.
»Warum hat sie ihn dann nicht schon vorher verlassen?«
»Sie hatte ja die Tochter. Habe ich dir doch gesagt.«
»Nur, warum ist sie gerade zu dem Zeitpunkt geflohen und hat die Tochter zurückgelassen? Vierzehn Jahre lang hat sie ertragen, von Escmug verprügelt zu werden. Warum hat sie so plötzlich den Entschluss gefasst zu verschwinden?«
Marban vermied es, ihr in die Augen zu schauen.
»Komm, nun red schon!«, forderte Fidelma ihn ungeduldig auf. »Gibt es etwa keine Brehons hier? Frauen haben das gleiche Recht wie Männer, auf Scheidung oder auf eine Trennung zu dringen. Frauen, die misshandelt werden, können sich scheiden lassen und haben Anrecht auf Schmerzensgeld – umso mehr, wenn blaue Flecken oder Brüschen beweisen, dass sie geschlagen wurden. Warum hat Liamuin nicht das ihr zustehende Recht genutzt? Stattdessen ist sie geflohen – im Gesetz aber steht, eine Frau, die ohne zureichenden Grund aus ihrer ehelichen Verbindung flieht, wird als entflohener Dieb betrachtet.«
Der Müller hob hilflos die Hände. »Liamuin ist tot, Lady. Soll man die Toten nicht in Frieden ruhen lassen?«
»Nicht, wenn ihre Wiedererweckung dazu beiträgt, ihreTodesursache zu ergründen und ihren guten Ruf wiederherzustellen. Und schon gar nicht, wenn ihre Wiedererweckung das Leben anderer rettet.«
»Ich kann dir nicht helfen, Lady«, entgegnete der Mühlenbesitzer störrisch.
Fidelma wandte sich Eadulf zu. »Geh doch bitte und lass Gormán das … das Fundstück hereinbringen.«
Eadulf stand auf und ging. Ihm schwante, dass Fidelma etwas vorhatte, doch was genau, wusste er nicht. Schon nach wenigen Minuten war er mit Gormán zurück.
»Gorman, wickle das Tuch ab und zeige dem Müller, was du da hast!«
Während Gormán tat, wie ihm geheißen, beobachtete Fidelma den Müller. Er wurde aschfahl, eine Gefühlsaufwallung jagte die andere. Er beugte sich vor und fuhr mit zitternden Händen über den goldenen Wolf.
»Genau das ist es, die Ausbesserung muss ein Meister seines Fachs vorgenommen haben«, keuchte er.
»Wieso Ausbesserung?«, fragte Fidelma gereizt.
»Als ich es zuletzt gesehen habe, fehlte ein Bein, und der Schwanz war abgebrochen. Wahrscheinlich hatte jemand mit dem Schwert auf das Symbol eingeschlagen. Die Teile sind ergänzt worden, und das von einem Schmied mit viel Sachkenntnis und Erfahrung im kunstvollen Bearbeiten dieses Metalls.«
»Bist du dir sicher, dass das hier das cathach des Fiachu Fidgenid ist? Das Schlachtenzeichen, das Liamuin herbrachte, als sie von Escmug floh?«
»Ich bin mir sicher …«, begann der Müller, verstummte aber und starrte sie erstaunt an. »Woher weißt du das?«
»Ist es genau dasselbe?«, wiederholte Fidelma.
Er atmete schwer und wies auf den Gegenstand. »Unterdem Bauch des Tiers ist im Metall eine Einkerbung in der alten Ogham-Schrift.«
Fidelma tastete die eingeritzten Buchstaben ab. »Buaidh!«, las sie laut. »Sieg!« Sie lehnte sich zurück und schaute Marban an. Schweigend wartete sie auf seine Erklärung.
»Sei’s drum«, sagte er schließlich. »Ich werde dir die Geschichte erzählen, so wie sie Liamuin mir erzählt hat, und werde nichts auslassen.« Zunächst jedoch füllte er die Becher mit corma nach und nahm selbst einen großen Schluck.
»Als Liamuin hilfesuchend zu mir kam, weil sie nicht ein noch aus wusste, ist sie nicht einfach von ihrem Ehemann geflohen und hat ihr Kind, Aibell, zurückgelassen. Du hast ganz richtig geschlussfolgert. Du weißt längst, dass ihr Vater der alte Ledbán war und Lennán ihr Bruder. Der war zum Arzt ausgebildet und lebte als Mönch in der Abtei Mungairit.«
Fidelma geduldete sich und stellte keine Zwischenfrage.
»Lennán hatte sich der Heerschar von Stammesführer Eoganán angeschlossen, die gegen deinen Bruder zu Felde zog. Nicht dass er ein Anhänger des Fürsten war, er hatte sich der Heilkunst verschworen. Deshalb zog er mit, um die Kranken und Verwundeten zu pflegen.«
»So viel wissen wir bereits«, murmelte Eadulf. »Er wurde auf den Hängen des Cnoc Áine von Kriegern der Eóghanacht erschlagen.«
Der Müller warf ihm einen Blick zu. »Genau so war es nicht«, erwiderte er ruhig.
Fidelma
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