Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
horchte überrascht auf. »Was meinst du damit? Willst du etwa sagen, er wurde nicht von Kriegern der Eóghanacht erschlagen und kam nicht auf den Hängen des Cnoc Áine ums Leben?«
»Er wurde lebensgefährlich verwundet, aber gestorben ist er nicht dort.«
»Am besten wär’s, du erzählst weiter.«
»Es hat sich alles an dem Tag der Schlacht zugetragen. Wie Liamuin mir geschildert hat, war Escmug an dem Abend fort, um sich zu betrinken. Und dabei tobte die Schlacht auf dem Hügel, der kein Dutzend Meilen entfernt lag. Liamuin flickte die Netze ihres Mannes, da erreichte ein verwundeter Reiter ihre Hütte. Es war ihr Bruder Lennán. Er war auf den Tod verwundet, hatte aber noch Kraft genug, ihr zu berichten, dass Colgú das Heer der Uí Fidgente besiegt hatte. Er selbst hatte auf dem Schlachtfeld die Verwundeten verbunden.
Einer der tödlich Getroffenen war der Standartenträger von Fürst Eoganán. Wie er dort lag, bedeckte er mit seinem Leib das cathach des Fiachu Fidgenid. Lennán drehte ihn um, wollte sehen, wo er verwundet war, und entdeckte dabei den goldenen Wolf und den gebrochenen Schaft. Noch im Niederbeugen spürte er einen scharfen Schmerz in seiner Seite. Er schaute hoch. Über ihm stand ein Krieger mit dem Schwert in der Hand. Wie ein habgieriger Irrer starrte der auf das cathach und brüllte: ›Mir gehört das! Mir! Die Macht ist mein!‹ Schon wollte er nach dem Wahrzeichen greifen, doch Lennán begriff, dass dieser Krieger ihm sein Schwert in die Seite gestoßen hatte, packte den abgebrochenen Schaft, holte aus und traf den Raubgierigen an der Stirn. Der stürzte nieder und lag reglos da.
Lennán wusste, welche Symbolkraft das Feldzeichen hatte. Kam der Krieger wieder zu sich und gelang es ihm, sich des cathach zu bemächtigen, wäre weiteres Blutvergießen unter den Uí Fidgente und den Eóghanacht die unvermeidliche Folge gewesen. Von Furcht gepackt, floh er zu seiner Schwester – ihn trieb die Angst vor diesem Krieger, der ihm den Todesstoß hatte versetzen wollen …«
»Und das war zweifelsohne einer von den Eóghanacht?«, höhnte Gormán.
Zur Verwunderung aller schüttelte Marban den Kopf.
»Mitnichten. Der Krieger war Lorcán, Sohn des Eoganán. Der war allenthalben gefürchtet wegen seiner Grausamkeit und Unbarmherzigkeit. Wenig später wurde er getötet, und selbst unter den Uí Fidgente gab es nur wenige, die seinen Tod betrauerten. Doch damals war er ein Mann, dem das Schlimmste zuzutrauen war. Lennán wusste, wie schwer er verwundet war, wusste aber auch, was geschehen würde, wenn Lorcán das heilige Totem in die Hände fiel. Das verlieh ihm die Kraft, vom Schlachtfeld zu wanken, sich auf ein Pferd zu schwingen und die ganze Strecke zu seiner Schwester zu reiten. Er übergab ihr das Wahrzeichen und beschwor sie, es irgendwo sicher zu verbergen.«
»Und dann starb er?«
»Er fühlte sein Ende nahen, brachte es aber zuwege, wieder aufs Pferd zu steigen, und ritt zum Schlachtfeld zurück. Wahrscheinlich hat er es nicht ganz geschafft, aber er war doch so nahe daran, dass jeder denken musste, er sei in der Schlacht getötet worden oder beim Verlassen der Walstatt gestorben. Jedenfalls wusste niemand, dass er seine Schwester aufgesucht hatte.«
»Mit Ausnahme von dir. Und so hat dir Liamuin die Geschichte erzählt?«
»Er hatte dem armen Mädel seine Befürchtungen so eindringlich dargelegt, dass sie den metallenen Wolf in einen Sack steckte und nicht zu warten wagte, bis ihre Tochter vom Feld heimkam. Sie rannte von Dún Eochair Mháigh fort, immer flussaufwärts bis zu mir.«
»Deine Sorge galt also nicht nur der Gefahr, dass Escmug sie aufspüren könnte?«
Der Müller wiegte den Kopf. »Es ging mir nicht nur um Escmug, obwohl ich mir denken konnte, er würde erraten, wohin sie geflohen war. Wie ich dir erzählt habe, hielt ich Menma, den bó-aire , für den aufrichtigsten Menschen, den ich kannte. Deshalb habe ich sie auf sein Gehöft geschickt. Es war auch meine Idee, das cathach mitzunehmen und es ihm zu überlassen, es zu verstecken.«
»Und wie sollte es mit ihrer Tochter Aibell weitergehen?«
»Wir hatten vor, ihr später zu sagen, wo ihre Mutter war. Escmug nahm an, Liamuin sei einfach weggelaufen, weil sie es mit ihm nicht mehr aushielt. Aus Rache wollte er etwas tun, dass Liamuin schmerzen musste. Deshalb hat er Aibell als Leibeigene an Fidaig verkauft. Ich hab dir ja bereits gestanden, dass ich keine Hemmungen hatte, den viehischen Kerl zu
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