Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
Aibell Mitverschwörer sein, dann erweisen sie der Sache keinen Liebesdienst, wenn über Ordan eine Geschichte zusammengebraut wird, die ihn in ein so schlechtes Licht stellt.«
Eadulf erwiderte nichts, und schweigend ritten sie nebeneinander her.
Mit untergehender Sonne wurde es spürbar kälter. Dunkle Wolken ballten sich am Himmel zusammen. Ein scharfer Wind kam auf und drang auch bis in das enge Flusstal, durch das sie ritten. Das bot ihnen zwar einen gewissen Schutz, aber es wurde doch so empfindlich kalt, dass sie die Umhänge fester um sich zogen.
»Wollen hoffen, dass der Wind nicht nachlässt«, murmelte Fidelma verdrießlich.
Verständnislos schaute Eadulf zu ihr hinüber. »Da denke ich anders.«
»Solange der Wind die Wolken vor sich hertreibt, regnet es wenigstens nicht. Was sich da oben zusammenbraut, sind Gewitterwolken, und ich möchte ungern bis auf die Knochen nass werden.«
Eadulf blickte zum Himmel und musste sich eingestehen, dass Fidelma mit ihrer Beobachtung recht hatte.
»Wie weit ist es denn noch bis zu dem Ort, wo wir übernachten wollen?«
»Nicht mehr weit, wenn wir das Tempo beibehalten.«
Beiden fiel auf, dass Gormán stehen geblieben war und aufmerksam zu einer kleinen Baumgruppe am Wegesrand weiter vorn blickte.
»Was gibt es?«, rief Fidelma, als sie schon fast bei ihm waren.
Gormán deutete stumm auf eine Stelle. Zwischen den Bäumen schien sich ein schwarzer Schatten im Wind zu bewegen. Beim genaueren Hinsehen gewannen sie den grauenvollen Eindruck, als hinge an einem der Äste ein Mensch. Im Nu hatte der junge Krieger das Schwert gezogen und spähte angespannt in die Umgebung.
»Wartet hier!«, sagte er nur kurz und preschte mit seinem Pferd nach vorn zu dem Wäldchen.
Sie beobachteten, wie er zwischen den Bäumen verschwand. Kurz darauf tauchte er wieder auf und winkte sie heran.
Der leblose Körper hing mit einem Strick um den Hals, und das gewiss nicht aus freien Stücken. Die Haut an Armen und Händen wies Flecken auf, das Gesicht war leichenblass.
»Lange hängt er noch nicht«, schätzte Eadulf. »Höchstens ein, zwei Tage, vielleicht nicht mal so lange.«
Das Opfer war ein junger Mann. Er war sauber rasiert, das lange strohgelbe Haar dagegen war zerzaust, Schmutz und totes Laub hatten sich darin verfangen. Die Kleidung war zerfetzt und voller Schmutz- und Blutflecken. Er hatte ein Leinenhemd an und darüber eine kurze, enganliegende Jacke, die man ihm aufgerissen hatte, so dass Haken und Ösen nur noch an einigen Fäden hingen. Er trug triubhas , knöchellange Hosen, die unten mit Bändern zusammengehalten wurden, damit sie gut saßen. Die bloßen Füße waren voller Blut. Über die Qualität des Stoffs ließ sich schwerlich etwas sagen, aber sauber genäht waren die Sachen. Irgendwelche Schmuckstücke fanden sie nicht.
Stumm starrten sie auf die Leiche, doch Gormán mahnte zum Aufbruch.
»Wir sollten uns hier nicht länger aufhalten, Lady. Wir befinden uns an der Grenze zum Stammesgebiet der Uí Fidgente.«
Fidelma reagierte unwirsch. »Mit allem, was die Uí Fidgente tun, bezwecken sie etwas. Ich glaube nicht, dass sie über uns herfallen, bloß weil wir den Unglückseligen hier betrachten. Eher sind sie darauf aus, dass Vorüberziehende Notiz von ihm nehmen, sonst hätten sie ihn abgeschnitten und nicht hier hängen lassen.«
Gormán war sich da nicht so sicher. Er hielt sein Schwert griffbereit und schaute wachsam in die Runde.
»Wer mag dieser junge Mann gewesen sein?«
Fidelma beugte sich vom Pferd, griff nach der linken Hand des Toten, schaute prüfend auf Handfläche und Finger und nahm sich dann die rechte Hand vor. Mit einem leichten Seufzer ließ sie sie sinken.
»Und? Hat dir das etwas gebracht?«, fragte Eadulf leicht angewidert.
»Ja. Der junge Mann trug an dem Mittelfinger der rechten Hand einen Ring, und zwar etliche Jahre, denn die Markierung ist ganz deutlich. Die Haut von Handfläche und Fingern ist glatt und zart, zeugt folglich nicht von grober Handarbeit. Die Nägel allerdings sind gesplittert und unter ihnen klebt Blut, er hat sich also entweder mit den Händen gegen seine Widersacher gewehrt oder versucht, sich aus einem Gefängnis herauszugraben.«
»Hältst du ihn für einen Adligen?«
»Es gibt auch andere Leute, die ihr Brot nicht mit ihrer Hände Arbeit verdienen«, erwiderte sie.
»Wir kommen einfach nicht weiter«, jammerte Eadulf. »Wir stolpern von einem Rätsel zum nächsten und stoßen statt auf eine Antwort immer
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