Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
Moment hielt Eadulf es für sehr wahrscheinlich, dass Bruder Cuineáin der Mörder war.
Eine Glocke rief zur Andacht, und Bruder Cú-Mara wollte aufstehen, zögerte aber noch. »Ihr reitet wahrscheinlich südwärts nach Cashel, oder?«
»Nein«, erwiderte Fidelma. »Wir folgen erst der Straße nach Westen bis zum Fluss An Mháigh und wenden uns dann nach Süden. Wir wollen noch die Festung Dún Eochair Mháigh aufsuchen.«
»Auf König Colgú wurde ein Mordanschlag verübt, wie ich hörte«, sagte der junge Mönch verhalten. »Befürchtest du, die Uí Fidgente wollen erneut eine Verschwörung gegen deinen Bruder anzetteln?«
»Um das herauszufinden, sind wir unterwegs.«
»Auf meinem Weg durch ihr Gebiet habe ich nicht einmal hinter vorgehaltener Hand davon gehört. Fürst Donennach hat sich nach Tara aufgemacht, um dem Hochkönig den Tribut seines Stammes zu entrichten. Die Wunden, die der Krieg hinterlassen hat, sind tief; ich glaube nicht, dass jemand einen neuen Aufstand schüren will – schon gar nicht in Mungairit.«
»Warum betonst du ›schon gar nicht in Mungairit‹?«, wollte Eadulf wissen.
»Ich war schon vor Wochen einmal hier. Da habe ich mich mit einem der Schreiber unterhalten. Maolán hieß er. Der hat mir von einer kleinen Kammer erzählt, die der Abt zu einem Schrein umgestaltet hat, zur Erinnerung an die Niederlage der Uí Fidgente bei Cnoc Áine. Der Raum ist mit Schwertern und Schilden angefüllt, mit Speeren und Helmen, die man vom Schlachtfeld aufgesammelt hat. Auch Banner und Feldzeichen der Krieger sind darunter. Das hat man gemacht, damit die Schlacht nicht in Vergessenheit gerät.«
Fidelma hörte sich das gelassen an. »Merkwürdig. Wozu ein Schrein? Um dort zu beten?«
Der junge Mann verneinte. »Schrein ist vielleicht nicht das richtige Wort. Der Abt hat angeordnet, dass die Kammer verschlossen bleibt, nur er und der Verwalter haben einen Schlüssel.Es heißt, die Erinnerungsstätte wurde eingerichtet, damit alle in der Abtei die schlimmen Folgen des Krieges nicht vergessen.«
»Woher hat Maolán von dem Schrein Kenntnis erhalten, wenn er stets verschlossen ist?«
»Dazu kann ich nichts sagen.«
»Ich würde ihn gern danach fragen.«
»Er ist nicht mehr in der Abtei. Ein oder zwei Tage nach meiner Ankunft neulich ist er davongezogen. Er wollte im Osten eine Abtei finden, in der seine Schreibkunst dringender benötigt wird als hier. Ich hatte nicht den Eindruck, dass er wieder zurückzukommen gedachte.«
»Hoffen wir das Beste, dass keine Verschwörung im Gange ist. Immerhin ist mein Bruder lebensgefährlich verletzt, und der Oberste Brehon von Muman ist tot. Wir müssen uns Klarheit verschaffen, ob der Anschlag nur der Racheakt eines Einzelnen war oder Teil einer viel weitergehenden und ernsthaften Bedrohung ist.«
»Du wirst wie immer Licht ins Dunkel bringen.« Bruder Cú-Maras Miene hellte sich auf. »Wenn ihr bald aufbrechen wollt und zum An Mháigh reitet, dann haben wir denselben Weg. Bis zur Furt könnten wir gemeinsam reiten, von dort muss ich dann nordwärts nach Ard Fhearta.«
Fidelma war einverstanden und erhob sich. »Es ist immer gut, mit Weggefährten seine Straße zu ziehen. Eadulf und ich müssen uns erst noch vom Abt verabschieden, und Gormán kann derweil schon unsere Pferde satteln und aufzäumen.«
Auch Bruder Cú-Mara stand auf. »Ich gehe mit Gormán zu den Ställen, schließlich muss ich meinen ›Rappen‹ auch reisefertig machen.« Er lachte vergnügt. »Das ist freilich nur ein Esel. Klosterbrüdern ohne höheren geistlichen Rang ist esverwehrt, hoch zu Ross durchs Land zu ziehen, es sei denn, sie hätten einen besonderen Dispens.«
Fidelma und Eadulf fanden Abt Nannid und Bruder Cuineáin in der Amtsstube des Klosterherrn. Der Abt wirkte fahrig und zerstreut.
»Wir kommen, um Abschied zu nehmen«, sagte Fidelma.
Sofort war er wie umgewandelt. »Ihr wollt uns schon so plötzlich verlassen?« Sein Bedauern klang derart geheuchelt, dass es Eadulf peinlich war.
»Wir müssen, wir können nicht länger bleiben«, antwortete er knapp.
»Wohin wird euch euer Weg jetzt führen?«, fragte Bruder Cuineáin.
»Wir wollen zusammen mit Bruder Cú-Mara nach Westen reiten.« Fidelma vermied es, sich genauer zu äußern.
Abt Nannid schien überrascht. »Ich hatte den Eindruck, ihr hattet nicht damit gerechnet, Bruder Cú-Mara hier zu begegnen.«
»Das hatten wir auch nicht – und es war ein Glück für uns, ihn hier zu treffen. Er hat euch gewiss
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