Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
berichtet, dass Eadulf und ich vor ein paar Jahren einige Zeit in der Abtei Ard Fhearta verbracht haben.«
»Doch, davon hat er gesprochen. Wie schön, dass euch der Zufall hier zusammengeführt hat.«
»Wir möchten dir und der Abtei zum Dahinscheiden von Bruder Ledbán unser Beileid bekunden. Er hatte ein langes und erfülltes Leben, sein Tod kam für euch wohl nicht überraschend.«
»Der Tod ist unausweichlich in unser aller Leben«, psalmodierte Abt Nannid. »Dennoch haben wir mit Bedauern vom Tod des Obersten Brehon Áedo erfahren und sind tief betroffen, dass ein Anschlag auf das Leben des Königs, deines Bruders,verübt wurde. Wir werden beide in unsere Gebete einschließen, in Sonderheit wollen wir für die Genesung deines Bruders beten.«
»Seid bedankt für eure Gastfreundschaft«, erwiderte Fidelma höflich.
»Möge Gott euch bewahren auf allen euren Wegen.«
Mit diesen Worten entließ sie der Abt, und Bruder Cuineáin begleitete sie bis zum großen Innenhof. Dort stand Gormán bereits mit ihren Pferden, und neben ihm war Bruder Cú-Mara mit seinem geduldig wartenden Esel.
Der Abschied von Bruder Cuineáin war weniger wortreich als der von seinem Abt. Sie ritten aus dem Portal der Abtei und wandten sich nach Westen. Eadulf spürte förmlich die Blicke in seinem Nacken, denn der Verwalter ließ sie nicht aus den Augen, bis ihm Bäume und Büsche die Sicht nahmen.
Kapitel 9
Die Wolken hingen bedrohlich tief, und die Luft war feucht und kühl, während Fidelma und ihre Begleiter westwärts durch eine flache Marschlandschaft ritten. Ab und zu kamen sie an vereinzelten, von Erdwällen umgebenen Gehöften vorbei. Eadulf wunderte sich, dass sich keine Menschenseele regte.
»Was hast du denn erwartet?«, fragte Bruder Cú-Mara. »Wir haben Winteranfang. Die Ernte ist in den Scheuern, es gibt draußen wenig zu tun. Das Vieh muss bloß noch hereingeholt und gefüttert werden. Es bleibt im warmen Stall, bis die Sonne wieder höhersteigt.«
Die öde Landschaft und die grauen Wolken ließen Eadulf an seine Heimat denken. Dort wie hier gab es kaum einen Hügel, geschweige denn einen Berg. Vieles ähnelte den Fenns im Königreich der Ostangeln. Feuchtgebiete, in denen Brackwasser stand, reihten sich aneinander. Oft wurden sie überschwemmt, wenn die Flut in der Trichtermündung des Sionnan stieg, der sich nördlich von ihrem Weg dahinschlängelte. Kreuz und quer durchschnitten Flüsse und Bäche das Land. Flache Seen und Torfmoore wechselten einander ab.
Gormán schien Eadulfs Gedanken zu lesen, denn plötzlich meinte er: »Richtig unwirtlich ist diese Gegend. Den Uí Fidgente gönne ich das.«
Bruder Cú-Mara ließ das nicht unwidersprochen. »Vergiss nicht, dass die Uí Fidgente Anspruch auf denselben Stammbaum erheben wie die Eóghanacht. Seit den Zeiten von Fiachu Fidgenid, und das ist dreihundert Jahre her, behaupten sie, Nachfahren von Cormac Cas, dem älteren Bruder von Eógan Mór, zu sein.«
»Unsere Genealogen haben das seit eh und je bestritten«, mischte sich Fidelma ein. »Der Streit darüber wurde beigelegt, als mein Bruder bei Cnoc Áine siegte.«
»Bei Cnoc Áine wurde nur der von Fürst Eoganán angeführte Aufstand gegen Cashel niedergeschlagen«, erwiderte der junge Mönch.
Fidelma erinnerte sich, dass der Klosterbruder zu den Uí Fidgente gehörte. »Jedenfalls herrscht jetzt Frieden zwischen uns.« Sie wollte sich auf keinen Fall mit Bruder Cú-Mara anlegen, denn sie schätzte ihn durchaus.
Er lachte. »Wohl wahr, Lady! Die ungelöste Frage, wer hat recht und wer hat unrecht, sollten die alten, weißhaarigen Genealogen unter sich klären. Blut von jungen Männern sollte deswegen nicht mehr fließen.«
Nach einer Weile erreichten sie einen größeren Fluss, der von Süden kam und scharf nach Westen bog.
»Ist das der Mháigh?«, erkundigte sich Eadulf. Er wunderte sich, warum sie ihm nicht bis zur Quelle folgen sollten.
»Nein, das ist der Bearna Coill, ›Fluss vom Tal zwischen den Wäldern‹ heißt das, denn dort entspringt er«, erklärte Bruder Cú-Mara. »Er fließt in den Mháigh, der viel breiter ist.«
Es dauerte nicht lange, und sie hörten das Brausen und Gurgeln zweier kräftiger Flüsse, deren Strömung beim Aufeinanderprall schaumgekrönte Wellen hochpeitschte. Wild schossen die Wogen nach Norden, wo sie sich mit dem noch mächtigeren Sionnan vereinten.
Bruder Cú-Mara breitete theatralisch die Arme aus und rief: »Da haben wir den An Mháigh, den Strom der
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