Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
erstklassigen Hof wie deinem«, sagte Eadulf anerkennend.
»Erstklassig? Dem Gesetz nach ist der Grund und Boden hier von dritter Güte. Ausreichend Wasser gibt es, weil der Fluss in der Nähe ist, doch Ackerland hast du nur inmitten von Waldstücken, und zwischen dem Buschwerk auf den Feldern kannst du gerade mal ein bisschen Weizen, Hafer und Gerste säen.«
»Aber du hältst dir doch Viehzeug?«
»Ein paar Milchkühe.«
»Und wer melkt die?«
»Ich selber«, erwiderte der ehemalige Krieger. »Ist schon erstaunlich, woran man sich gewöhnt, wenn die Not es gebietet. Die geringste Mühe machen die Schweine. Ich muss bald in den Wald und sie zusammentreiben. In der milden Jahreszeit lasse ich sie im Wald frei herumlaufen. Da können sie sich an Eicheln und Bucheckern mästen oder was sie sonst so finden. Tag und Nacht bleiben sie draußen. Nur im Winter, wenn die Tage kurz sind, schaffe ich sie in den Pferch hinter meiner Hütte.«
»Gehört dir die Waldung?«
»Der Wald war Gemeindeland meiner Großfamilie, jeder konnte es nutzen. Ärger gab es nur mit dem Nachbarn – das war kein geringerer als Lord Lorcán, dem keiner eine Träne nachweint, wie ich schon sagte. Anmaßend war der wie kein anderer. Der Wald sei sein Eigentum, hat er erklärt und für seine Nutzung Abgaben von allen Nachbarn verlangt. Wir haben uns geweigert und beim Brehon von Fürst Eoganán Beschwerde eingelegt. Doch dann begann der Feldzug gegen Cashel. Der Streit wurde vergessen, und alle Anführer der Clans folgten mit ihren Kämpfern dem flammenden Kreuz.«
»Das heißt, die Entscheidung über die Landnutzung wurde aufgeschoben«, fasste Fidelma zusammen.
Wieder lachte Temnén sarkastisch, wie es seine Art war, Missmut auszudrücken. »Nach Lorcáns Tod wurde die Frage aufgeschoben bis in alle Ewigkeit. Unser neu gewählter Fürst Donennach sprach das Land Lorcáns dessen so viel würdigerem Bruder zu, der es der Abtei Mungairit überließ. So zahlen wir jetzt den Mönchen eine kleine Pacht und sind es zufrieden.«
»Gar keine schlechte Lösung, oder?«
»Für unsereinen schon«, stimmte ihr der Bauer zu.
»Und gut ist außerdem, dass der Bruder dieses Lorcán ein aufrichtig frommer Mensch ist«, äußerte sich Gormán. »Wer ist oder war er eigentlich? Doch nicht etwa Torcán, der am Cnoc Áine ebenfalls ums Leben kam?«
Temnén schaute ihn verwundert an. »Wenn ihr in Mungairit wart, müsst ihr ihm doch begegnet sein.«
»Von wem redest du?«
»Vom Stallmeister der Abtei, von Bruder Lugna. Wie gesagt, er und Lorcán sahen einander sehr ähnlich, aber ihrem Charakter nach waren sie völlig verschieden.«
»›Kleiner Sonnenschein‹ bedeutet Lugna. So sieht Bruder Lugna aber nicht aus, er ist groß gewachsen und stämmig«, sinnierte Fidelma.
»Genau die Statur hatte auch sein Bruder«, bekräftigte der Bauer. »Mir scheint, du verstehst dich auf die Auslegung von Namen, Lady.«
»Es interessiert mich, was die Namen von Personen bedeuten. Namen haben immer eine Bedeutung.«
»Dann wirst du auch wissen, wofür mein Name steht.«
»Er heißt so viel wie ›der Dunkle‹. Ist vielleicht ganz passend, weil wir uns getroffen haben, als der Himmel ganz dunkel war.«
»Entspricht wohl eher meiner düsteren Stimmung.«
Temnén stand auf, ging zur Tür und schaute hinaus. »Kaum sprechen wir davon, ist der Sturm vorüber, es wird wieder hell.« Er ging in den Raum zurück und löschte die Lampe.
Und tatsächlich. Die Unwetterwolken waren verschwunden. Blitz und Donner hatten sich hinter die weitentfernten Berge im Osten verzogen.
Fidelma stand auf und streckte sich. »Das ist das Zeichen weiterzuziehen.«
»Ihr werdet Dún Eochair Mháigh nicht vor Abend erreichen, aber an der Eichenfurt findet ihr eine Unterkunft«, riet ihnen Temnén. »Dort ist eine Herberge, die Sitae führt. Der ist ein guter Wirt, schwatzt aber ziemlich viel.«
Gormán ging hinaus, um die Pferde aus dem Stall zu holen, und Fidelma verabschiedete sich von ihrem Gastgeber. »Lass uns auf die Redensart vertrauen, die Zeit heilt die Wunden. Mein größter Wunsch ist, dass es dir gelingt, mit mehr Zuversicht in die Zukunft zu blicken. Man muss in der Gegenwart leben mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Was vergangen ist, lässt sich nicht ungeschehen machen, dochwir haben eine bessere Zukunft vor uns, wenn wir die Lehren der Vergangenheit beherzigen.«
»Du bist wirklich eine kluge Frau«, sagte Temnén nach kurzem Zögern, »und du bist zu beneiden,
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