Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
Euer Onkel gewesen ist! Nur das Kloster hat ein Anrecht auf dieses wertvolle Manuskript! Ich sollte die Stadtwache rufen und Euch ins Gefängnis stecken lassen.«
»Dann werdet Ihr den zweiten Teil der Schrift niemals bekommen.«
Wie ein wütender Stier stampfte der Abt mit dem Fuß auf. In diesem Moment ging die Tür auf, und ein dicker Mönch mit roten Wangen und einer glänzenden Tonsur betrat schnaufend den Raum. Schweißperlen rannen ihm die Schläfen entlang und in die Augen, was angesichts der Kälte verwunderlich war. Mit dem Handrücken wischte er sie weg.
»Ich bin gelaufen, so schnell ich konnte«, stieß er atemlos hervor.
»Das sehe ich«, meinte der Abt misslaunig. »Sebastian, schließ die Tür«, befahl er dem mageren Jungen, dann wandte er sich wieder dem dicken Neuankömmling zu.
»Das kleine Lederbuch, das wir vor einigen Wochen bekommen haben, birgt kein Geheimnis«, erklärte er. »Es ist bloß das Reisetagebuch eines unbedeutenden Kaufmanns.«
Überraschung malte sich auf dem Gesicht des dicken Bibliothekars. »Aber … wie …?«, stotterte er.
»Ich erkläre dir alles später. Wirf einen Blick auf diese Schrift. Es hat den Anschein, als wäre dies das eigentliche Manuskript.«
Neugierig und verwirrt trat der dicke Mönch an den Tisch und beugte sich über das Manuskript.
Jana hielt vor Aufregung den Atem an, ihre Hände in ihrem Schoß zitterten. Um ihre Nervosität nicht offen zu zeigen, grub sie die Finger in den Stoff ihres Kleides. Was, wenn der Mann die Fälschung erkannte?
Doch auch der dicke Bibliothekar ließ sich täuschen. Begeistert klatschte er in die Hände und sagte aufgeregt: »Das ist die geheimnisvollste Schrift, die ich je gesehen habe. Sie birgt Rätselhaftes und darf keinesfalls in die falschen Hände geraten.«
»Denkst du, es ist ein Original und keine Fälschung?«, fragte der Abt.
»Ich bin mir völlig sicher!«
In diesem Moment bemerkte Jana, dass Pfeiffer aus der Rolle fiel und ein schelmisches Grinsen aufsetzte. Zum Glück bemerkten es weder der Abt noch der Bibliothekar, beide waren völlig in die unbekannte Schrift vertieft.
»Aber was ist mit dem Reisetagebuch?«, fragte der dicke Mönch.
»Es handelt sich hier um eine Geschichte von Diebstahl und Betrug«, sagte der Abt und richtete seinen strengen Blick erneut auf Pfeiffer. Der hatte wieder ein ernstes Gesicht und hielt den kalten Augen des Abtes stand.
»Was genau ist Eure Forderung?«
Die Summe, die Pfeiffer nannte, entlockte selbst Jana einen kleinen Schrei der Überraschung. Sie war weit höher, als sie besprochen hatten.
»Ihr seid ein gemeiner Verbrecher! Gott selbst wird Euch richten.« Der Abt spuckte seine Worte förmlich aus.
»Gott ist großzügig und gütig. Er weiß, wie sehr wir dieses Geld brauchen, und wird ein Einsehen haben«, erwiderte Pfeiffer mit einem Grinsen. Jana fürchtete schon, der Arzt hätte es übertrieben, aber Pfeiffer fand dermaßen Gefallen an seiner Rolle, dass er leidenschaftlich weitersprach: »Die Summe ist angesichts des Werts der Schrift lächerlich gering.«
»Das Reisetagebuch unseres Vaters«, erinnerte sie ihn leise. »Wir dürfen unsere Mutter nicht enttäuschen und ohne das Erinnerungsstück zurückkehren.« Jana war überrascht, wie leicht es ihr fiel, in dem merkwürdigen Stück mitzuspielen.
»Ihr sollt das verdammte Buch Eures Vaters haben und die Summe ebenfalls. Aber erst holt Ihr den zweiten Teil des Manuskripts«, sagte der Abt.
»Ich schlage vor, die Übergabe findet auf neutralem Boden statt und in aller Öffentlichkeit«, gab Pfeiffer zurück. »Am besten in einem Gasthaus.«
»Ich will, dass Ihr mir das Dokument hierher bringt«, sagte der Abt bestimmt. Aber Pfeiffer schüttelte lächelnd den Kopf.
»Diese Forderung muss ich ablehnen. Die Gefahr, dass Ihr uns das Manuskript abnehmt und uns mit leeren Händen wegschickt, ist zu groß.«
Der Abt schnaufte verächtlich. Jana hätte schwören können, dass genau das sein Plan gewesen war.
»Ihr unterstellt einem Mann der Kirche den Willen zu Lüge und Betrug?«
Pfeiffer zuckte mit den Schultern und drehte die Handflächen nach außen, antwortete aber nicht.
»Dann nennt mir Treffpunkt und Uhrzeit, damit dieses unerfreuliche Kapitel beendet werden kann«, zischte der Abt wie eine Schlange. Jana fand es seltsam, an wie viele unangenehme Tiere dieser Mann sie erinnerte.
»In einer Stunde im Gasthof ›Le Patron‹«, sagte Pfeiffer zufrieden, reichte Jana die Hand und zog sie endlich
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