Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
Gaumen zurücklässt, und dann wieder einen, der eine Walnussnote hat, und …«
Bedrich wollte sich erneut einschenken, aber Jana entzog ihm energisch den Krug. Die andere Hand legte sie auf seinen leeren Becher.
»Du hattest genug«, sagte sie entschieden. »In wenigen Augenblicken kommen die Jesuiten, und dann müssen wir die Stadt rasch verlassen.«
»Wir müssen … was?«, fragte Bedrich verständnislos.
»Wir müssen Dijon rasch verlassen, damit niemand aus dem Collège auf die Idee kommt, uns doch noch beim zuständigen Stadtrichter anzuzeigen.«
Bedrichs Sinne waren von dem wundervollen Rotwein so vernebelt, dass er einen Augenblick brauchte, bis er Janas Worte begriff. Nun fiel ihm auch wieder ein, dass sie wegen eines Manuskripts hier waren und nicht wegen des exzellenten Essens und dem hervorragenden Wein. Schade, wirklich schade.
»Wer braucht schon alte Schriften?«, fragte er ärgerlich und gab selbst die Antwort: »Niemand! Aber gutes Essen … darüber freuen sich alle.«
»Komm, steh auf und geh an die frische Luft!« Jana versuchte den breiten Mann hochzuhieven, aber ohne Erfolg. Bedrich war zu schwer. Er stand allein auf, geriet bedenklich ins Wanken und fing sich wieder. Dann drehte er den Kopf vorsichtig und sehr langsam von einer Seite zur anderen und ging dann mit bedächtigem Schritt zum Eingang. Genau in diesem Moment flog die Tür auf, und Abt Nicola und sein Bibliothekar betraten den Raum.
Mit missbilligendem Blick sah sich der hagere Abt in der Wirtsstube um. Als er Jana und Doktor Pfeiffer erblickte, trat er schnurstracks auf sie zu. Der dicke Mönch folgte ihm mit gesenktem Kopf.
Das Geräusch der Eingangstür lockte den Wirt aus der Küche, der mit offenem Mund stehen blieb. Er war überrascht und offensichtlich sehr geehrt von dem hohen kirchlichen Besuch und begrüßte den Klostervorsteher mit einer tiefen, ehrfürchtigen Verbeugung.
Der Abt grunzte etwas Unverständliches und beachtete ihn nicht weiter.
Doch der Wirt ließ sich nicht abwimmeln, geschäftstüchtig bot er dem Abt einen Krug seines besten Weines und einige Kostproben aus seiner Küche an. Seit Jahren bemühte er sich bereits darum, das Kloster beliefern zu dürfen, aber ohne Erfolg. Bis jetzt hatte der Abt ein Gespräch immer abgelehnt. Dabei wusste der Wirt, dass sein Schwager in Clairvaux gute Geschäfte mit den Brüdern des Klosters machte. Sie liebten seine Weine und belieferten ihn dafür mit hervorragendem Käse.
»Kein Wein«, zischte der Abt auf Latein. Er ließ sich nicht dazu herab, mit dem Wirt in der landesüblichen Sprache zu sprechen. »Keine Speisen. Nichts. Habt Ihr mich verstanden? Und ich will nicht, dass irgendjemand von meinem Besuch hier erfährt.«
Der Wirt begann verwirrt zu stammeln. Seine Hoffnung auf ein lukratives Geschäft zerplatzte gerade wie eine schillernde Seifenblase. Hilflos bot er dem Abt einen Becher Wasser an.
»Nichts!«, schnappte der Klostervorsteher.
Ergeben nickte der Wirt und eilte zurück in seine Küche, wo seine Frau schon auf ihn wartete.
Unterdessen hatte Pfeiffer den zweiten Teil seines Manuskripts aus seiner Satteltasche geholt und auf den Tisch gelegt.
»Wollt Ihr Euch von der Echtheit der Schrift überzeugen?«, fragte er.
Der Abt nickte seinem Bibliothekar zu. Der sah sich vorsichtig um, um sich zu vergewissern, dass er nicht beobachtete wurde. Aber außer ihnen hockte bloß ein alter Kaufmann einsam in der Wirtsstube und starrte mit glasigem Blick in seinen Becher voll Wein. Er schenkte ihnen keine Beachtung. Die meisten Gäste kamen erst zu späterer Stunde. Das prasselnde Kaminfeuer warf bizarre Schatten an die helle Wand. Die beiden Ölgemälde der Wirtsleute sahen aus, als hätte jemand ihnen Leben eingehaucht. Jana zitterte.
Nun beugte sich der dicke Jesuit über das kostbare Pergament. Es dauerte nicht lang, schon nach wenigen Augenblicken sagte er leise: »Es besteht kein Zweifel, das ist der fehlende Teil.« Wieder war sein Kopf hochrot, und er schwitzte.
Mit Verachtung im Blick holte der Abt einen schwarzen Lederbeutel unter seiner Kutte hervor und knallte ihn verärgert auf den Tisch. Der Beutel schlitterte über die Tischplatte auf Pfeiffer zu, der rasch danach griff und so verhinderte, dass der Sack auf den Boden fiel.
Dann streckte der Abt seine langen Finger nach dem Pergamentbündel aus.
»Nicht so schnell!« Pfeiffer legte die freie Hand darauf. »Wo ist das Reisetagebuch meines Vaters?«
»Das ist ebenfalls in dem
Weitere Kostenlose Bücher