Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
Vom Netzwerk:
von dem unbequemen Hocker hoch. Dankbar ließ sie sich aufhelfen.
    Als der Arzt das Pergament einpacken wollte, stürzte der Abt vor und hielt verteidigend beide Arme über die Schrift.
    »Das bleibt hier!«, schrie er aufgeregt, und seine Stimme überschlug sich. Jana glaubte zu sehen, dass er sogar die Zähne fletschte.
    Offenbar ging ihre Phantasie mit ihr durch. Es war höchste Zeit, diesen Raum zu verlassen.
    Pfeiffers entrüsteter Blick war perfekte Schauspielkunst. Antonio wäre stolz auf ihn gewesen.
    »Na gut«, sagte der Arzt und wandte sich zum Gehen. »Wir treffen uns in einer Stunde wieder.«
    Als sie aus der eisigen Kammer auf den Flur traten, musste Jana sich zusammenreißen, um nicht die Röcke zu schürzen und so schnell wie möglich die Treppen hinunterzulaufen. Sie wollte dieses Gebäude rasch verlassen. Mit jedem Schritt, den sie sich von der Kammer des Abtes entfernte, fühlte sie sich besser. Als die schwere Tür des Haupteingangs hinter ihr ins Schloss fiel und sie wieder auf der Straße stand, konnte sie endlich frei durchatmen.
    Pfeiffer fasste sie erneut an der Hand, und sie bogen in eine der nächsten Seitengassen ab. Als sie endlich außer Sichtweite der Mönche waren, blieb Jana stehen und prustete erleichtert los. Conrad Pfeiffer begann ebenfalls zu lachen, und bald liefen ihnen beiden die Tränen hinunter, so sehr prusteten und kicherten sie.
    Jana geriet ins Stolpern und wäre beinahe gestürzt, hätte sie sich nicht mit beiden Händen an Pfeiffers Armen festgehalten. Noch immer lachend, fiel sie nach vorn und lag einen Augenblick lang an seiner Brust. Als sie das Missgeschick bemerkte, rückte sie rasch wieder von ihm ab.
    »Ich hätte nie gedacht, dass in Euch ein so talentierter Schauspieler schlummert«, sagte Jana und schob das blonde Haar zurück unter ihr verrutschtes Tuch.
    »Die Reise mit der Schauspielertruppe hat mich so manches gelehrt, von dem ich zuvor nichts wusste«, sagte Pfeiffer. Plötzlich war er wieder ernst. Er warf Jana einen seltsam weichen Blick zu, ganz ähnlich wie zuvor im Gasthaus. Ein Kribbeln breitete sich in ihrer Magengrube aus.
    Verunsichert wandte sie sich ab und beschleunigte ihren Schritt. »Wir müssen uns beeilen. Sonst sind die Jesuiten noch vor uns im Gasthaus.«
    Pfeiffer seufzte schwer: »Ja, lasst uns gehen!«
    Weder Jana noch Doktor Pfeiffer hatten bemerkt, dass sie verfolgt und beobachtet worden waren. Der magere, vielleicht zwölfjährige Klosterschüler, in dessen Gesicht jetzt eine unendliche Traurigkeit stand, war ihnen lautlos und unbemerkt nachgeschlichen und hatte ihr Lachen und ihre Freude gesehen.
    Es war genau so, wie er erwartet hatte. Auch wenn er noch sehr jung war, so hatte er doch ein besonders feines Sensorium für Schwindler und Scharlatane. Er erkannte sofort, ob jemand die Wahrheit sprach. Zu oft schon hatte man ihn belogen. Er hatte nun endgültig genug davon.
    Bereits in der Kammer des Abtes hatte eine Idee von ihm Besitz ergriffen. Nun nahm sie konkrete Formen an, und er war wild entschlossen, sie in die Tat umzusetzen. Mit festen Schritten lief er zurück ins Kloster, vorbei am Pförtnerbruder, in den Kreuzgang und weiter ins Obergeschoss. Zum ersten Mal, seit er in diesem Kloster lebte, verursachten seine Schritte ein leises Geräusch, und das war gut so, es war ein Zeichen dafür, dass er noch lebendig war.
    Bedrichs Augen waren glasig und seine Wangen gerötet. Um sich die Wartezeit zu verkürzen, hatte er nicht nur ein weiteres Gläschen Medizin zu sich genommen, sondern auch gemeinsam mit dem Wirt dessen Keller durchforstet und die unterschiedlichen Weinsorten probiert.
    »Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie vorzüglich diese Weine sind. Hicks! Ganz anders als bei uns in Prag, wo Wein wie Essig schmeckt und bestenfalls zum Einlegen von Gurken taugt.«
    »Bedrich, du musst an die frische Luft, damit du wieder klar denken kannst«, sagte Jana ernst. Die Freude von vorhin hatte einem mulmigen Gefühl Platz gemacht. Würde der Abt sein Versprechen einlösen und ihnen das Reisetagebuch bringen?
    »Ich … kann … völlig klar denken«, behauptete Bedrich und schwankte bedenklich auf seinem Stuhl hin und her. »Und warum haben wir zu Hause in Prag bloß sauren Wein? Weil alle Bier trinken wollen … immer nur Bier. Aber hier …«, schwärmerisch breitete Bedrich beide Arme aus und verdrehte entzückt die Augen, »hier gibt es Wein, der nach Eichenfässern schmeckt, und welchen, der einen Hauch von Johannisbeere am

Weitere Kostenlose Bücher