Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
dir und übernehme das für dich. Ich halte zwar nichts von den Katholiken mit Maria, ihren ganzen Heiligen, den Bischöfen, Kardinälen, Päpsten und weiß der Kuckuck, was es bei euch noch so alles gibt. Aber du bist mein bester Freund, und deshalb werde ich dir helfen. Graf Thurn muss eben noch eine Weile auf mich warten. Aber so wie die Sache sich anlässt, ist dieser Krieg noch nicht so bald vorbei, da gibt es noch genug Möglichkeiten für mich, zu kämpfen. Wir reiten zu zweit nach Prag zurück oder gar nicht.«
Jendriks Gesicht hellte sich auf. Hatte er sich eben verhört, oder hatte Tomek ihm tatsächlich seine Hilfe angeboten?
»Schau mich nicht so verdattert an, wir sind doch Freunde«, sagte Tomek und umarmte Jendrik mit seinen starken, muskulösen Armen auf eine kameradschaftliche Art. Vielleicht war es, weil Jendrik sich eine Spur zu zärtlich in Tomeks Arme geschmiegt und seinen Kopf etwas zu lang an Tomeks Brust gelegt hatte, Tomek ließ ihn abrupt los, trat einen Schritt zurück und sah Jendrik verwirrt an. Eine peinliche Stille entstand.
Verlegen meinte Jendrik: »In Bordeaux soll es den besten Rotwein der Welt geben.«
Tomek lachte erleichtert auf, die Verunsicherung löste sich und seine Welt schien wieder in Ordnung zu sein. »Warum hast du das nicht gleich gesagt? Dieses Argument ist besser als alle Befehle und Drohungen des Papstes.«
Auch Jendrik entspannte sich wieder. Er musste besser aufpassen, so etwas wie gerade eben durfte ihm nie wieder passieren. Er schwor sich, in Zukunft weniger Wein zu trinken, auch wenn sie in die Stadt des besten Rotweins aufbrachen.
12
Cluny
D ER W EG NACH C LUNY verlief direkt nach Süden. Die Straßen waren gut ausgebaut und führten über sanfte Hügel. Kaum hatten sie eine Anhöhe hinter sich gelassen, tauchte die nächste vor ihnen auf. Sebastian hatte aus dem Kloster in Dijon einen Esel mitgenommen und ritt auf dem störrischen Tier, das tatsächlich so schnell war wie Bedrichs alter Gaul. Aus irgendeinem Grund mochte der Esel das Pferd und gab sich alle Mühe, mit dem Tempo des größeren Tieres mitzuhalten.
Schon in den ersten Stunden fielen Sebastian und Bedrich ein Stück zurück, was sie aber nicht zu stören schien, denn sie unterhielten sich prächtig. Bedrich redete über das Kochen, Sebastian hing an seinen Lippen und hörte ihm mit derselben Begeisterung zu wie Ludwig aus der Schauspielertruppe. Immer wieder machte Bedrich den Jungen auf Küchenkräuter, die am Wegesrand wuchsen, aufmerksam – Thymian, Estragon, Gundelrebe, Brunnenkresse und vieles mehr.
Bei jeder Rast half Sebastian dem Koch beim Zubereiten der Mahlzeit. Er erwies sich als äußerst geschickt, hackte wilden Knoblauch so fein, als hätte er nie etwas anderes getan, und rührte süßen Rahm, den sie bei Bauern am Wegesrand erstanden, mit Honig und wilden Brombeeren zu einer köstlichen Nachspeise.
Seit Dijon war das Reisen deutlich einfacher geworden. Der Beutel voll Geld ermöglichte es ihnen, sich jederzeit mit Lebensmitteln zu versorgen; sowohl die Bauern als auch die Händler in den Städten überließen ihnen bereitwillig die herrlichsten Köstlichkeiten, wenn sie die Münzen in Pfeiffers Hand sahen. Außerdem konnten sie sich bei Regen jederzeit einen Schlafplatz in einer Herberge nehmen. Allerdings regnete es immer seltener, je weiter sie in den Süden zogen.
Kurz vor Cluny überfiel Jana eine tiefe Traurigkeit. Bis jetzt hatte sie den Gedanken an den Abschied von Bedrich von sich weggeschoben, aber als eines Morgens die riesige Klosteranlage auf einem der Hügel aus dem milchweißen Morgennebel aufstieg, wurde ihr bewusst, dass ihnen nur noch wenige Stunden blieben.
Das Kloster war eine Mischung aus alter Trutzburg und neuerem Schloss; zahlreiche kleine und größere Rundtürme, wie der Tour Fabry am Ende der Nordmauer, ließen die Anlage fast märchenhaft aussehen.
Am Fuße des Hügels, in einem weiten, sonnigen Tal, lag das Städtchen Cluny. Obwohl es klein und unbedeutend wirkte, waren die Menschen doch erstaunlich wohlhabend. Fast jedes zweite Haus war ein Wirtshaus oder eine Herberge, und überall waren Gäste untergebracht, die im Kloster für die eigene Heilung oder die eines geliebten Verwandten beten wollten. Die Benediktiner von Cluny förderten diese Pilgerfahrten schon seit Jahrhunderten, und so kamen jedes Jahr Menschen aus ganz Europa hierher und beteten gemeinsam mit den Mönchen. In den engen Gassen des Städtchens hörte man verschiedene
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